Texas
ritt zum Presidio. Dort suchte er sich einen Trupp Soldaten zusammen, die ihn schützen sollten, und galoppierte mit ihnen nach Westen.
Er ritt mehrere Stunden, bis er zu den Häusern kam, wo seine Männer untergebracht waren, die auf dem riesigen, nicht umzäunten Rancho El Codo mit seinen Tausenden Rindern arbeiteten und das kleine Béjar mit Fleisch versorgten. Hier stand auch das Haus der Familie Garza, deren Männer seit Jahrzehnten Aufseher der Saldañas waren. Als Don Ramón Domingos Vater sah, fing er gleich an:
»Teodoro, du und deine Familie, ihr habt so gut für uns gearbeitet.«
»Wir haben nur unsere Pflicht getan, Señor.«
»Wir möchten euch belohnen. Als ich 1749 mit dem großen Escandón das Tal des Rio Grande erforschte, fand er solchen Gefallen an meiner Arbeit, daß er mir zweitausend Hektar Land unten am Fluß überließ. Ich werde dir dieses Land schenken, Teodoro.«
»Ich möchte El Codo nicht verlassen, Señor.«
»Du mußt«, erklärte Don Ramón mit fester Stimme. »Du hast dir unsere Dankbarkeit verdient. Ich habe die Papiere gleich mitgebracht. Vizekönig Gúemes hat sie unterzeichnet.« Aus seiner Satteltasche nahm er das wertvolle Dokument und reichte es Garza.
Garza ritt mit Don Ramón nach Hause, erzählte seiner Frau Magdalena von dem außerordentlichen Angebot und zeigte ihr, obwohl weder er noch sie lesen konnten, die eindrucksvolle Urkunde mit den vielen Wachssiegeln. Sie besprachen sich einige Minuten lang, dann stellten sie sich, einander an den Händen haltend, vor ihn hin, und Magdalena, hocherfreut über das Geschenk, dankte ihm: »Don Ramón, wir küssen die Sohlen Eurer Stiefel. Eigenes Land nach so vielen Jahren! Gott wird Euch segnen, und wir auch!«
Damit war die Sache erledigt. Don Ramón schlief drei Nächte auf dem Rancho, bis die Garzas gepackt hatten und Teodora den Hilfskräften erklärt hatte, wie sie das Vieh versorgen sollten. Don Ramón schenkte der aufbrechenden Familie vier gute Pferde, einen Bullen und sechs Kühe und gab ihnen sieben Soldaten mit auf den Weg, die sie auf ihrem langen Weg durch indianisches Gebiet bis zu der Stelle eskortieren sollten, wo sich der Rio Grande dem Golf von Mexico nähert. Don Ramón begleitete sie noch mehrere Stunden, denn er wollte ganz sicher sein, daß sie nicht umkehrten; dann umarmte er Teodoro und seine Frau und schüttelte schließlich auch dem siebzehnjährigen Domingo die Hand: »Du bist ein guter Junge. Bau dir deinen eigenen Rancho und mach etwas daraus!« Er verhielt sein Pferd, hieß die Bewaffneten, die ihn begleiteten, warten und sah der kleinen Karawane nach, die ihren Weg nach Süden fortsetzte. Dann gab er seiner Eskorte ein Zeichen, und sie ritten zur Stadt zurück.
Der herrschaftliche Konvoi, den Don Ramón im Februar 1789 für die lange Reise nach Mexico-Stadt zusammenstellte, konnte etwa sechzehn Kilometer am Tag zurücklegen. Da die Strecke tausendsechshundert Kilometer betrug, würde die Reise gute hundertzehn Tage in Anspruch nehmen - nicht gerechnet die Zeit für Reparaturen, Rast an Sonntagen, erzwungene Verzögerungen durch angeschwollene Flüsse und Erholungsaufenthalte in Provinzstädten wie Saltillo. Insgesamt würde die Reise ein halbes Jahr dauern; dazu kamen dann sechs Monate Aufenthalt in der Hauptstadt und schließlich noch ein halbes Jahr für die Rückkehr. Keine Familie hätte eine solche Reise ohne lange Gebete und Abschiedsfeiern angetreten, denn man wußte, daß Krankheit oder Sturmflut oder Apachen oder Banditen, die die einsamen Straßen unsicher machten, sie alle das Leben kosten konnten.
Sie mußten fast fünfhundert Kilometer Wüste durchqueren, bevor sie bei Monclova halbwegs zivilisiertes Gebiet und mit dem schönen Saltillo eine richtige Stadt erreichen würden, und so wickelten sie sich feuchte Tücher um Mund und Nase, um sich vor Staub zu schützen, und stürzten sich in das Abenteuer. Nach neunzehn beschwerlichen Tagen erreichten sie den Rio Grande und verweilten zwei Wochen lang in den Missionen von San Juan Bautista.
Dann begann der gefährliche Teil der Reise: achtzehn Tage durch freiliegendes, ungeschütztes Gebiet nach Monclova. Elf Soldaten begleiteten die Reisenden. Tag für Tag rumpelte der Wagen mit Engracia de Saldaña über den endlosen Karren weg, diese »Königliche Straße«; kein Haus war zu sehen, nicht einmal ein Schafhirt.
Südlich von Monclova durchquerten die Saldañas dann eines der schönsten Gebiete ganz Mexicos. Weite Felder schwangen
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