Texas
feststellen werdet, wenn Ihr in der Hauptstadt Erkundigungen über mich einzieht. Ich bin ein jüngerer Sohn, das ist wahr, und meine älteren Brüder besitzen die Weingärten. Aber ich habe in Nueva Orleans große Erfolge erzielt. Ebenso in Saltillo und in Potosí. Und ich bin sicher, daß ich in der Hauptstadt noch erfolgreicher sein werde. In dieser Hinsicht braucht Ihr Euch nicht zu sorgen.«
»In Saltillo scheint Ihr Euch Hals über Kopf in die Tochter eines Gastwirts verliebt zu haben.«
»Im Frühjahr fliegen die Vögel auf viele Bäume, bevor sie ihr Nest bauen.«
»Das tun sie, das tun sie«, stimmte der Alte ihm zu und erinnerte sich seiner eigenen Amouren. »Ich bin Spanier und reise mit meiner Enkelin in die Hauptstadt, wo sie Spanier kennenlernen kann. Franzosen und Spanier, das ist noch nie gutgegangen.«
»Ihr hattet französische Könige.«
»Das waren die schlimmsten von allen!«
Somit waren hier in Potosí die Kampflinien gezogen: Offensichtlich beabsichtigte der junge Franzose, Trinidad auch weiterhin den Hof zu machen, während der alte Spanier alles nur mögliche tun würde, um die beiden Liebenden auseinander- oder zumindest unter strenger Aufsicht zu halten. Don Ramón nahm die Herausforderung an. »Ich bezweifle«, sagte er, »daß meine Enkelin je einen Franzosen heiraten würde.«
»Bei allem Respekt, Don Ramón, ich teile Eure Ansicht nicht.«
»Und ich bezweifle ferner, daß ich je meine Zustimmung geben könnte.« Aber der junge Mann gefiel ihm, und er versuchte nicht zu verhindern, daß er sich im selben Gasthof einquartierte.
Nun begann ein richtiges Katz-und-Maus-Spiel, wobei der Franzose auf jedes Gambit einging, nur um mit Trinidad allein zu sein, und der alte Herr all seine Intelligenz aufbot, um ihn an Schlauheit zu übertreffen. Aber Ramóns Enkelin hielt es mit dem Feind und tauschte heimlich Liebesbotschaften und Küsse mit ihm aus.
Nachdem das vier Tage so gegangen war, forderte Don Ramón d’Ambreuze unverblümt auf, seine Reise fortzusetzen. »Eure Geschäfte warten.« Zu seiner Überraschung stimmte der draufgängerische junge Mann ihm zu: »Das ist richtig. Aber auch ich werde warten - in der Hauptstadt!« Und fort war er, diesmal ohne Eskorte, denn südlich von Potosí wurde der Camino Real zu einer für den Silberhandel bedeutenden Straße und war von Soldaten ständig bewacht.
Zwei Wochen später machten sich auch die Saldañas wieder auf den Weg, aber sie ließen sich mehr Zeit für diese letzten sechshundert Kilometer, so daß sie erst in den ersten Augusttagen das herrliche Plateau erreichten, auf dem sich das Wunder der Neuen Welt erhob.
Hatte schon Saltillo Trinidad begeistert, so war sie von der Hauptstadt geradezu berauscht. Die Kathedrale war dreimal so groß wie die schöne Kirche in Saltillo, die Plaza fünfzehnoder zwanzigmal größer als die dortige, und wenn die Läden in der Stadt im Norden verschwenderisch ausgestattet gewesen waren, erschienen ihr die in Mexico-Stadt wie wahre
Schatzhäuser, voll von Luxuswaren aus ganz Europa. Schon am zweiten Morgen erschien René-Claude in dem Gasthof, in dem die Saldanas abgestiegen waren, um Trinidad und ihre Mutter zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten der Metropole zu führen: zur Stierkampfarena, wo spanische Toreros brillierten, in die Konzertsäle, wo ausgezeichnete Sänger und Sängerinnen aus ganz Europa gastierten, und in jene einzigartigen Lokale, wo um elf Uhr nachts die köstlichsten Diners serviert wurden. In dem Maß, wie Trinidad die Metropole, in der sie ein halbes Jahr bleiben sollte, kennenlernte, begann sie auch, Spaniens Ruhm zu verstehen. Sie begriff jetzt, warum ihr Großvater so stolz auf sein Erbe war und warum er wollte, daß sie es mit einem spanischen Ehemann teilen sollte, der vielleicht sogar mit ihr in die Heimat zurückkehren würde.
Doch mit seiner Suche nach einem spanischen Schwiegersohn kam Don Ramón nicht weiter. Er war erleichtert, als d’Ambreuze ihm mitteilte, daß er nach Vera Cruz hinunterreisen müsse, um die Ankunft von Bergwerksmaschinen aus Frankreich zu überwachen, aber wie vor den Kopf gestoßen, als der junge Mann vorschlug, die Saldanas sollten ihn begleiten. Trinidad jedoch wollte unbedingt Puebla sehen, eine der schönsten Städte des ganzen spanischen Reiches, und so erklärte er sich bereit, ihr den Willen zu tun. Dort in der Stadt der Engel, wie man sie nannte, verabschiedete sich d’Ambreuze. Trinidad klammerte sich an ihn, als die Pferde
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