Thanatos
hier herumzustehen brachte sie nirgendwohin. Sie brauchte einen Plan, für den Fall, dass sie mit den Vampiren Ärger bekam.
Ich kann das Leben in dir spüren. Ich werde es genießen, es auszulöschen.
Oh ja, sie brauchte unbedingt eine Möglichkeit, sich selbst zu schützen, vor allem, nachdem Thanatos ihr nicht glaubte, wie gefährlich seine Vampire waren. Unglücklicherweise lagen bei dem Reiter weder Krüge mit Weihwasser noch Säcke voller Holzpflöcke herum. Aber sie war schon immer sehr einfallsreich gewesen, und dieser hölzerne Schreibtischstuhl sah doch schon recht vielversprechend aus …
Sie brauchte den Stuhl nur einmal mit voller Wucht auf den Boden zu schmettern, um eines der Beine abzubrechen. Dann wartete sie etwa eine Minute, um zu sehen, ob der Lärm jemanden auf sie aufmerksam gemacht hatte. Als niemand herbeigerannt kam, packte sie das hölzerne Stuhlbein, das spitze Ende nach vorne gerichtet, und öffnete langsam die Tür.
Thanatos und seine Vampire waren nirgends zu sehen. Dieser arrogante Blödmann glaubte vermutlich, sie käme hier nicht weg und wüsste auch gar nicht, wohin sie gehen sollte.
Sie gelangte bis zur Bibliothek, ohne gesehen zu werden. Rasch schlüpfte sie hinein und fand auch sein Telefon, um gleich darauf ungläubig nach Luft zu schnappen. Da hatte sie ganze Tage hier mit ihrer Nase in seinen Büchern verbracht, aber das war ihr nie aufgefallen.
Er hatte so ein verdammtes Telefon mit Wählscheibe. Wer benutzte denn noch solche Antiquitäten? Thanatos, ganz offensichtlich. Unglaublich.
Sie wählte Kynans Nummer, aber er meldete sich nicht, und bei diesem dämlichen Telefon konnte sie nicht mal die Eins drücken, um eine Nachricht zu hinterlassen. Sie musste wertvolle Zeit damit vergeuden, dranzubleiben und zu warten, bis sie auf die Mailbox sprechen konnte. Endlich flüsterte sie, dass sie ihn beim Grönländer Höllentor treffen würde, in der Hoffnung, er werde seine Nachrichten möglichst bald abhören.
Aus der Küche drangen leises Klirren und Scheppern an ihr Ohr sowie der Duft von Brathähnchen an ihre Nase, sodass ihr das Wasser im Munde zusammenlief. Ihr knurrte der Magen. War ja klar, dass eine Schwangere sogar auf der Flucht noch Hunger hatte.
Später,
sagte sie sich. Später würde sie ein ganzes Buffet leer essen, aber jetzt musste sie nach draußen gelangen, ohne dass jemand sie sah. So leise wie möglich schlich sie durch den großen Saal; auf dem eisigen Steinfußboden machten ihre bloßen Füße keinerlei Lärm. Wenn möglich benutzte sie die Teppiche, achtete aber sorgfältig darauf, nicht auf die seidigen Quasten zu treten.
Jepp, da machte sich wieder mal ihre Zwangsstörung bemerkbar. So schlimm war es allerdings noch nie gewesen, und wenn einiges davon auch vermutlich ihrer Schwangerschaft zuzuschreiben war, sie musste jetzt wohl endgültig durchgedreht sein, nachdem sie gekidnappt worden war und gefangen gehalten wurde.
Sie gelangte bis zur Tür. Dort vertrat ihr einer von Thans Vampiren, ein stämmiger, hässlicher Kerl, an dessen Namen sich ihr dämliches schwangeres Gehirn nicht mehr erinnern konnte, den Weg.
»Wir haben den Befehl, dich am Fortgehen zu hindern.«
»Ich will doch nur spazieren gehen.«
Er fletschte die Fänge. »Und ich bin eine Meerjungfrau. Jetzt geh in dein Zimmer zurück.«
Sie hob ihren improvisierten Pflock. »Geh mir aus dem Weg.«
Er lachte. »Dumme, fette Frau. Du bist mir nicht gewachsen.«
»Fett?
Fett?
Ich bin schwanger, du wandelnde Leiche. Ich mag ja fett sein, aber du bist tot.« Sie stürzte sich auf ihn, mit weit weniger Anmut, als sie gewohnt war, aber der Vampir trat zur Seite, sodass ihr Angriff misslang. Die Spitze des Pflocks streifte seine Schulter nur, doch das reichte schon, um ihn sauer zu machen.
Er stieß einen Fluch aus; gleichzeitig schoss seine Hand nach vorn und packte sie bei der Kehle. Sie versuchte mit aller Kraft, Luft zu holen. Was war nur mit diesen Vampiren los, dass sie so besessen vom Würgen waren!
Während sie in ihrem Kopf einen Fluch nach dem anderen ausstieß, attackierten ihre Finger seinen Hals und zerrissen den Kragen seines Seidenhemds. Als ihre Fingerspitzen dabei zufällig ein Tattoo streiften, überschwemmte sie seine Wut wie eine Woge. Gleichzeitig leuchtete in ihrem Kopf eine Vision auf, eine überaus seltsame, in der sich Thanatos über diesen Vampir beugte, während dieses Ungeheuer auf einer Steinplatte lag. Das seltsame Wort, das der Vampir im Hauptquartier von
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