Thanatos
haben.«
Sie winkte ab. »Das ist nichts als eine alberne Reliquie, die schon Engeln und Teufeln, Heiligen und Sündern zugeschrieben wurde. Es ist nur ein Dolch. Wenn Pestilence ihn haben will, muss er wohl glauben, er besäße eine gewisse Macht, doch dem ist nicht so.«
Verdammt. »Bist du sicher?«
Gethel warf ihm einen arroganten Blick zu, der ihn eindeutig wissen ließ, was sie von seiner Nachfrage hielt. »Wie geht es Regan?« Gethal fuhr mit einem langen Finger über die glatte Oberfläche des Stachels, den sie in der Hand hielt. »Und dem Kind?«
Als ehemalige himmlische Wache der Reiter hielt sich Gethel nach wie vor gern auf dem Laufenden, was ihre früheren Schützlinge betraf. Und als Engel, der auf das Engste mit dem Schicksal der Welt verbunden war, hielt sie sich auf dem Laufenden, was Prophezeiungen und unbedeutende Kleinigkeiten anging, wie zum Beispiel ein Kind, das das Ende der menschlichen Existenz herbeiführen könnte. Manchmal dachte Reaver, dass sie sich fast ein bisschen zu sehr dafür interessierte. Andererseits würde es ihm vermutlich auch nicht leichtfallen, zu Leuten auf Abstand zu gehen, die er Tausende Jahre gekannt hatte.
»Es geht beiden gut. Nachdem das Aegis-Hauptquartier kompromittiert wurde, bleiben sie bis zur Geburt bei Thanatos.«
Gedankenversunken tippte sie sich mit dem Stachel gegen das Kinn. »Findest du es nicht seltsam, dass Pestilence Thanatos’ Bewegungen ausgerechnet zu
der
Zeit verfolgte, was ihm schließlich ermöglichte, das Hauptquartier zu finden?«
Doch, genau das fand er auch. Die Reiter waren imstande, ein Tor zu öffnen, das sie an den letzten Ort bringen würde, zu dem eines ihrer Geschwister gereist war. Aber allen Berichten nach hatte sich Thanatos nicht lange im Hauptquartier aufgehalten. Also hatte Pestilence ein Zeitfenster von vielleicht fünf Minuten zur Verfügung gestanden, in denen er Than zum Hauptquartier hatte folgen können.
»Warum?«
Gethel blickte ihm tief in die Augen und senkte die Stimme, als wollte sie ihm ein Geheimnis verraten. »Ich glaube, es war Harvester, die Pestilence riet, Thanatos zum Aegis-Hauptquartier zu verfolgen.« Sie drehte sich wieder zu ihrer grausigen Arbeit um. Reaver erstarrte vor Entsetzen, als er Harvester erblickte, die auf einen Tisch gefesselt dalag. Ihr Körper war von fünf
treclan
-Spießen durchbohrt. »Aber ich befürchte, sie wird es nicht zugeben. Außerdem will sie mir einfach nicht verraten, wer ihr den Befehl gab, dich vor über neun Monaten gefangen zu halten.« Sie stieß ein sechstes
treclan
in Harvesters Becken. Der Schrei, der aus dem Mund des gefallenen Engels kam, ließ das gesamte Gebäude erbeben.
So sehr sich Reaver auch nach Rache sehnte, dies war nicht der richtige Weg.
»Warum tust du das? Du bist nicht mehr die Wache der Reiter.«
Schwarze Sturmwolken zogen über Gethels Miene, um gleich darauf so schnell zu verschwinden, wie sie gekommen waren. »Dies geht weit über die Angelegenheiten der Wachen hinaus. Ihr Verrat treibt die Apokalypse voran.«
So ein Quatsch. Dahinter musste etwas Persönliches stecken. »Und? Das war doch noch nicht alles.«
»Ich bin dir keine Erklärung schuldig.« Gethel befahl einen weiteren Nagel herbei. »Harvester und ich, wir … kennen uns schon sehr, sehr lange. Vertrau mir, sie weiß genau, worum es hier geht.«
Reaver fragte sich, ob er wohl großen Ärger bekäme, wenn er Gethel ordentlich eine reinhauen würde. »Hast du die Erlaubnis, sie zu töten?« Als die böse Wache der Reiter stand Harvester unter einem gewissen Schutz und durfte ausschließlich dann getötet werden, wenn Agenten sowohl des Himmels als auch der Hölle der Exekution zustimmten.
»Bedauerlicherweise nein«, erwiderte Gethel. »Ich werde sie freilassen müssen, wenn ich fertig bin.«
»Du lässt sie auf der Stelle frei.«
»Ich denke nicht.«
»Du sagtest doch selbst, dass du vermutlich nichts aus ihr herausbekommen würdest. Lass sie frei.«
Gethel fuhr zu ihm herum. »Sie hat dich gefoltert. Hat dich festgehalten, damit Pestilence die Aegis ohne Störungen deinerseits manipulieren konnte. Regan ist nur deshalb schwanger, weil sie dich außer Gefecht gesetzt hat, und die Apokalypse bricht womöglich schon in wenigen Tagen über uns herein. Und doch forderst du, dass ich dieses bösartige …
Ding
… freilasse?«
»Ich fordere, dass du sie freilässt, weil ich derjenige sein will, der sie leiden lässt. Ihre Qualen und ihr Tod, so er denn angeordnet wird,
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