Thanatos
an den Rand des Wassers und ließ sich auf eine der Steinbänke sinken, die Ares in regelmäßigen Abständen am Ufer hatte aufstellen lassen. Sie zog die Schuhe aus und ließ die Wellen mit ihren Zehen spielen. »Wenn ich der Aegis diese Information vorenthalten würde, würde ich sie hintergehen.« Sein Blut begann zu kochen, als sie fortfuhr. »Aber du bist der Vater meines Sohns, den ich genauso wenig hintergehen kann.«
»Was für ein Dilemma«, knurrte er.
»Stimmt.« Sie klopfte auf den Sitz neben sich, und er setzte sich. Es gefiel ihm, auf diese Weise Zeit mit ihr zu verbringen, auch wenn das Thema ihrer gegenwärtigen Unterhaltung nicht das angenehmste war. »Was weißt du über deinen Vater?«
Er blickte über die gewaltige Fläche blaugrünen Wassers hinweg. Hier hatte es ihm schon immer gefallen, aber diesen wunderschönen Ort mit Regan zu teilen machte das Ganze sogar noch besser. Das, und die Tatsache, dass die Nähe zu dem Baby sein Gespür der Todesfälle auf der ganzen Welt dämmte. Zum ersten Mal, seit der Fluch ausgesprochen worden war, fühlte er sich beinahe friedlich.
»Nicht viel. Er verschwand gleich nach unserer Zeugung. Wenn auf den Bericht in dieser Schriftrolle Verlass ist, dann trieb er sich wohl noch ein paar Jahrzehnte lang irgendwie dort herum, aber da stand nicht, wo er heute ist.«
»Wir müssen ihn finden.«
»Wieso das denn?«
Regan wandte sich zu ihm um. Ihr Haar ringelte sich in weichen Locken um ihr Gesicht. »Eure biblischen Siegel … die unterscheiden sich doch von den Siegeln, die die
Daemonica
beschreibt, oder?«
Er war nicht sicher, worauf sie hinauswollte, nickte aber. »Gemäß Gethel handelt es sich um Metallringe, die den Inhalt von vier Schriftrollen beschützen, die irgendwo im Himmel aufbewahrt werden. Warum?«
»Wenn es wahr ist, dass dein Vater das Lamm ist, von dem in der Offenbarung die Rede ist, brauchen wir ihn vielleicht, damit er diese Siegel zerbricht.«
Er blinzelte. »Wieso?«
»Wenn eure biblischen Siegel brechen, dann kämpft ihr auf der Seite des Guten, stimmt’s? Möglicherweise ist der einzige Weg, die böse Apokalypse aufzuhalten, die gute auszulösen. So würden wir zumindest zu unseren Bedingungen anfangen. Um der Menschheit eine Chance zu geben.«
Mit einem Schlag begriff er, was für eine Kriegerin Regan war. Wie weit sie gehen würde, um die Welt zu retten, und warum sie zugestimmt hatte, ihn zu verführen, um schwanger zu werden. Ein Teil seiner Wut über das, was sie ihm angetan hatte, schwand dahin und wurde von widerwilligem Respekt für ihren Mut ersetzt.
»Das würde bedeuten, Feuer mit Feuer zu bekämpfen«, sagte er. Aber himmlisches Feuer war ebenso zerstörerisch wie das, was aus der Hölle kam.
Sie lächelte dünn. »Komisch, dass du das sagst, denn ehe sich mein Vater der Aegis anschloss, war er Feuerwehrmann. Ich habe als Teenager alles über sie gelesen, weißt du, habe versucht, irgendeine Verbindung mit ihm herzustellen.«
»Du hast ihn nie getroffen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er starb, noch ehe ich geboren wurde. Obwohl … ich schätze, ›er starb‹ ist nicht so akkurat wie Lance’ Ausdrucksweise. Er drückte es gern so aus: Er wurde ›notgeschlachtet‹.«
Das klang, als wäre dieser Lance ein ziemliches Arschloch, das selbst einer Notschlachtung bedurfte. »Was weißt du über ihn?«
Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. Ihm war schon aufgefallen, dass sie das häufig tat, wenn sie sich gestresst fühlte. »Er stammte aus einer Kleinstadt in Oregon. Hatte eine schwierige Jugend. Die ganz normalen Sachen, die Menschen irgendwann zur Aegis führen. Ich schätze, er wollte schon sein ganzes Leben lang Feuerwehrmann werden, und nach nur zwei Jahren hatte er eine Begegnung mit einem Branddämon. Er ist ziemlich durchgedreht, bis er von der Aegis hörte und erfuhr, dass Dämonen real sind. Es war meine Mutter, die ihm half, sich der Aegis anzuschließen, und dann wurde er besessen, schwängerte sie – und hier bin ich.« Sie blickte auf ihren Bauch hinab, wo sich das Baby bewegte. »Was ist mit dir? Ich meine, ich weiß, dass du deinen richtigen Vater nie getroffen hast, aber in den ersten Lebensjahren dachtest du, du wärst ein Mensch, oder?«
Er war nicht sicher, wie er darauf kam, aber er streckte die Hand aus und legte sie auf ihre. Augenblicklich durchströmte ihn eine verbindende Wärme, jenes imaginäre Band, dass sie drei zu verbinden schien. Das Gefühl schien süchtig zu machen, und er fragte
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