THARKARÚN – Krieger der Nacht
stehen und wandte sich zu den Soldaten um, die ebenfalls anhielten. Es waren ungefähr fünfzig Mann aus allen Völkern, und keiner von ihnen schien überzeugt von dem, was er da tat. Über ihre Köpfe hinweg schaute er zu Huninn Skellensgard hinüber, der ruhig und gefasst war. Aus irgendeinem Grund war Asduvarlun heute nicht so gelassen wie sonst, und das beunruhigte ihn. Sorge war ein Gefühl, das er schon vor langer Zeit zu unterdrücken gelernt hatte, und es war nicht gut, dass sie sich ausgerechnet jetzt bemerkbar machte, wo
er einen klaren Kopf brauchte. Aber man hatte ihm beigebracht, seine Gefühle zu verbergen, und daher war seine Stimme fest und klar, als er sich an die Soldaten wandte.
»Noch könnt ihr umkehren«, mahnte er. »Keiner von euch ist gezwungen mitzukommen. Es ist nicht etwa mutig, wenn man einer Sache entgegentritt, die einem so viel Angst einjagt, dass man nicht mehr klar denken kann, es ist nur dumm. Ihr müsst niemandem etwas beweisen. Ihr habt euch entschieden mitzukommen, aber wenn ihr nun eure Meinung ändert und zurück zur Großen Mauer geht, wird euch keiner deswegen einen Vorwurf machen.«
Er wusste nur zu gut, wovon er sprach. Er würde lieber eine halb so starke Gruppe anführen, die im entscheidenden Moment der Gefahr nicht zurückweichen würde, als die doppelte Anzahl von Soldaten, die beim Anblick des Feindes wie ein Hühnerhaufen auseinanderlaufen würde. Nicht alle waren aus völlig freien Stücken mitgekommen. Präsident Ghadril Thaun hatte einige seiner Soldaten gezwungen, als Freiwillige ihren Mut unter Beweis zu stellen, und er war nicht der Einzige, der mehr oder weniger offen Druck ausgeübt hatte. Jetzt waren ihre Herrscher weit weg und Asduvarlun hoffte, dass nun all die, die nicht freiwillig bei ihm sein wollten, sich dazu durchringen würden zu gehen. Jedes Leben, das bei dieser Mission geopfert wurde, würde sein Gewissen mehr belasten.
Ich weiß, gaben Huninns dunkle, aufmerksame Augen ihm zu verstehen. Ich weiß, was du durchmachst.
Das genügte, um ihm die Kraft zum Weitersprechen zu geben. »Sehr gut«, sagte er schließlich im gewohnt pragmatischen Ton über das erwartungsvolle Schweigen hinweg. »Dann gehen wir. Haltet die Gruppe geschlossen, und was immer auch geschieht, lasst euch nicht von der Panik übermannen. Solange wir zusammenbleiben, können wir uns immer noch verteidigen.«
Das stimmte zumindest teilweise. Da es nur wenige Soldaten waren, hatte man sie alle mit magischen Waffen ausrüsten können,
doch keiner von ihnen war ihr wahrer Besitzer, außerdem war deren Zauberkraft gering. Gegen einen angreifenden Gremlin konnten wahrscheinlich nur zwei Waffen etwas ausrichten, und zwar sein Schwert Ligiya und Shannons Stab. Huninn verstand sich ein wenig auf Magie, ebenso die sieben Zauberer in ihrem Trupp, drei von ihnen waren Schwarze Hexer: Das war ihr einziger Schutz und vielleicht auch die einzige Angriffskraft, über die sie verfügten. Aber wenn sie alle zugleich und vor allem überraschend zuschlugen, so hoffte Asduvarlun, würden sie den Gremlins doch erheblich schaden können. Sie mussten dann nur ebenso schnell den Rückzug antreten, ehe der Feind so richtig begriffen hatte, was vor sich ging. Und genau hier lag die Schwierigkeit. Es war nicht allzu gefährlich, einen Blitzangriff gegen einen unvorbereiteten Feind zu führen. Vorausgesetzt natürlich, dass auch Gremlins zuweilen unvorbereitet waren. Doch danach vor den aufgeschreckten Gremlins durch einen düsteren und verwinkelten Wald zu flüchten, war eine ganz andere Sache. Und sollte sich dann auch noch Tharkarún zeigen, würde Asduvarlun nicht weichen und ihn angreifen, ganz egal um welchen Preis. Er musste irgendwie dafür sorgen, dass die Sicherheit seiner Truppe auch in diesem Fall gewährleistet war.
Er winkte Huninn unauffällig zu sich. Der Ombrier kam sofort zu ihm. »Brauchst du mich?«, fragte er und hatte eine Augenbraue ein wenig gehoben.
»Ja«, antwortete Asduvarlun finster. »Ich weiß, dass das, was ich dir jetzt sagen werde, dir nicht gefallen wird, aber ich dulde keinen Widerspruch. Sollte sich dieser Tharkarún zeigen, und wir sind jetzt vor allem unterwegs, weil ich ihn aufstöbern möchte, dann sollst du die Soldaten zurückführen. Ich dagegen bleibe, um mit ihm zu kämpfen. Ich will nicht, dass die Soldaten eingreifen. Es wäre ungerecht, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, nur weil ich den Unbekannten vernichten oder weil Lay Shannon begreifen will, was ihn
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