THARKARÚN – Krieger der Nacht
Soldaten waren zwar nicht schlagkräftig genug, um die Gremlins mit einem Hieb zu töten, aber die finsteren Wesen waren offensichtlich geschwächt und befanden sich in einem verletzlichen Zustand. Der Angriff des kleinen Trupps durchbrach ihren Kreis und nicht wenige wurden mehrmals getroffen, ehe sie sich zur Wehr setzen konnten.
Selbst Tharkarún – denn es stand zweifelsfrei fest, dass er es war, der auf dem Felsblock über den Gremlins stand – schwankte einen Moment, als seine Verbindung mit den Wesen um ihn herum so rüde unterbrochen wurde. General Asduvarlun ließ ihm keine Zeit zur Erholung, er wusste, wenn er diesen Mann, den er mittlerweile als seinen persönlichen Gegner betrachtete, angreifen wollte, musste er das jetzt tun. Er zog Ligiya aus der Scheide und baute sich vor Tharkarún auf, während Lay Shannon neben ihm zwischen den Bäumen hervortrat und mit seinem Stab ein magisches
Geschoss zwischen die Gremlins schickte, die sich schon wieder von der ersten Überraschung zu erholen schienen.
Der eiserne General kümmerte sich nicht mehr darum, was Shannon, Huninn oder seine Soldaten taten. Er achtete auf gar nichts mehr. Er sah die Augen unter der breiten Krempe des Pagodenhutes aufblitzen, ein rasiermesserscharfer Blick, mit dem der Fremde ihn gleichzeitig musterte und herausforderte. Jetzt gab es hier im Wald, wo das Tageslicht nur mühsam zum Boden drang, nur sie beide. Er hatte sich schon lange gewünscht, diesem geheimnisvollen Nekromanten gegenüberzustehen, und jetzt war er da.
Er wich keinen Schritt zurück.
»Tharkarún«, sagte er leise. Das war keine Frage.
Tharkarún schaute nicht einmal auf. Wie er so mit gesenktem Kopf und den an beiden Seiten des Körpers herabhängenden Armen dastand, hätte man glauben können, er schliefe im Stehen. Aber er war hellwach und hätte sofort zurückschlagen können, wenn er gewollt hätte, das war Asduvarlun klar. Ein dumpfer, gurgelnder Laut drang an seine Ohren und der General begriff, dass es ein Lachen war – dieser geheimnisvolle Fremde lachte ihn aus.
»Ich habe nicht die Absicht, dich entkommen zu lassen«, sagte Asduvarlun gewohnt ungerührt. Etwas im Inneren von Ligiya pochte unter seinen Fingern, das magische Schwert nahm die Bedrohung wahr und machte sich bereit, ihr zu begegnen. Tharkarún hob den Kopf und langsam glitt der Schatten seines Hutes nach hinten und gab einen kleinen Ausschnitt seines ausgezehrten Gesichtes frei: das spitze Kinn, die bleiche, verunstaltete Haut. Der Mund mit den schmalen Lippen hatte sich zu einem merkwürdigen Lächeln verzogen, das alles und nichts besagen konnte. Es ging Asduvarlun durch Mark und Bein. So hatte er noch nie jemanden lächeln sehen. Verdammt, wer oder was war das? Wen hatte er da vor sich?
»Sehr gut«, erwiderte Tharkarún. Er sprach so leise, dass nur er ihn wahrnehmen konnte, und erst mit einer gewissen Verzögerung
wurde Asduvarlun klar, dass sein Gegner den Mund gar nicht geöffnet hatte, obwohl er ihn reden gehört hatte.
»Ich werde nicht davonlaufen«, sagte er.
Niemand hätte sagen können, wer als Erster zuschlug: Asduvarlun, der Ligiya mit beiden Händen packte, ehe er sich auf seinen Feind stürzte, oder Tharkarún, der mit fließenden Bewegungen vom Felsen herunterglitt und gleichzeitig sein schmales gebogenes Schwert und den Zauberstab zur Hand nahm. Ligiyas Klinge prallte gegen den Stab und man hörte es leise knistern. Jetzt war der Lichtschein, der von der Waffe ausging, deutlich zu sehen, und Asduvarlun fühlte die Magie im Heftgriff pulsieren wie den Schlag eines metallenen Herzens. Tharkarún hatte in diesen ausgezehrten Armen eine unglaubliche und unerwartete Kraft und Asduvarlun musste einen Schritt zurückweichen. Er hörte wildes Stimmengewirr hinter sich: Huninn beschwor mit lauten Formeln in seinem kehligen Ombresisch die Zauberkraft, Shannon unterstützte ihn dabei, die Schwarzen Hexer brüllten Befehle und dazu kamen die Todesschreie der sterbenden Soldaten. Die Gremlins mussten sich von ihrem ersten Schock erholt haben und erwiesen sich nun trotz der erlittenen Verluste als doch nicht schwach.
Tharkarún hatte ihnen zumindest einen Teil der verlorenen Energie wiedergeben können, und von der strahlenden Kraft der Sonne drang viel zu wenig zu ihnen nach unten, als dass sie eine ernsthafte Bedrohung für die finsteren Gestalten darstellte. Niemand würde sich an die Spitze des kleinen Trupps setzen, um ihn aus dem Wald bis zur Großen Mauer zu führen,
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