THARKARÚN – Krieger der Nacht
hatte blitzartig zugeschlagen und sich das Ziel, Tharkarúns Schulter, mit Bedacht ausgewählt. Dessen ausgezehrter Körper konnte einem so schwungvollen Hieb bestimmt nicht widerstehen. Doch ehe der General ganz begriff, was vor sich ging, prallte Ligiya wieder einmal gegen den Stab des Zauberers, ein Lächeln zog sekundenschnell über die Lippen des Nekromanten, unerschütterlich grimmig wie zuvor, und der eiserne General musste seinerseits eine erneute Attacke abwehren.
Allmählich wuchs seine Ohnmacht, nun, wo er nicht mehr so frisch und ausgeruht war wie zu Beginn ihres Zweikampfes. Aber er würde sich nicht ergeben, seine Ehre ließ das nicht zu, ja sein ganzer Charakter verbot ihm das. Er sah im Geist wieder Alfargus vor sich, damals, als der junge Elbenprinz noch sein Schüler war, wenn er sich nach langen Übungsstunden beklagte, dass er erschöpft sei. »Dann mach weiter«, hatte Asduvarlun ihm dann stets unerbittlich befohlen. Das wiederholte er sich jetzt für sich selbst: »Mach weiter, Amorannon, auch wenn du nicht mehr kannst. Denk an Adilean, an dein Kind, das noch geboren werden soll, an den Frieden, den du für die beiden erstreiten willst. Denk an deinen verstorbenen Schüler, den Jungen, den du gern auf dem Thron gesehen hättest und der nun in der Heiligen Erde der Druiden begraben liegt, denk an die Rache, die du ihm schuldig bist. Denk an deinen König, dem du Treue bis in den Tod geschworen hast, an die Völker dieser Welt, die zu beschützen du versprochen hast. Denk, woran du willst, aber gib jetzt nicht auf!«
Er wiederholte diese Worte so lange, bis sie ihren Sinn verloren, das Wichtigste war, sich an diesem Gedanken festzuklammern und nicht loszulassen, Tharkarún jeden Schlag heimzuzahlen und alles andere auszublenden, seinen Atem, der immer schwerer ging, oder die Tatsache, dass die Geräusche hinter ihm verstummt waren, er musste alles um sich herum vergessen und durchhalten.
Er fragte sich, ob Alfargus auch so gekämpft hatte, ob er auf diese Weise gestorben war. Aber das waren Fragen, die er sich nicht stellen durfte. Weitere Fragen stürmten auf ihn ein: ob es nicht wirklich Wahnsinn gewesen war, hierherzukommen, ob er jemals wieder diesen Wald verlassen und heimkehren würde. Er schob auch diese Gedanken beiseite, packte das Heft von Ligiya so fest, dass er spürte, wie sich das Metall in seine Handflächen bohrte, und setzte an, um Tharkarún mit der Kraft seiner Wut und Verzweiflung einen gewaltigen Hieb zu versetzen.
Dieses Mal bewegte sich der geheimnisvolle Fremde nicht, um ihm auszuweichen, er blieb einfach stehen. War er denn völlig verrückt? Jetzt würde er ihn treffen und töten. Aber stattdessen stoppte die Klinge einen Millimeter vor Tharkarúns Hut, und auch wenn er all seine Kraft aufwendete, konnte der General sie nicht weiter absenken.
»Das kann nicht sein«, knurrte er. Ihm war, als könne er seinem Feind unter der Hutkrempe in die Augen sehen und darin dessen stillen Spott lesen. Er bemühte sich noch stärker, den Hieb auszuführen, doch eine unsichtbare Kraft hielt ihn davon ab. Er konnte Tharkarún nicht töten, er konnte ihn nicht einmal treffen, selbst mit dem mächtigsten Schwert der Welt gelang ihm das nicht.
Damit konnte er sich nicht abfinden.
Einen Moment später schien Überraschung die stoische Selbstsicherheit Tharkarúns zu erschüttern und der General spürte, dass die unsichtbare Kraft, die seine Hand bannte, schwächer wurde und schließlich nachgab, Ligiyas Klinge strahlte heller auf als jemals zuvor, er hörte ein trockenes Geräusch, als würde etwas zerbrechen, und dann konnte er seinen Schlag tatsächlich vollenden.
Tharkarún reagierte prompt, trotz seiner Verblüffung, aber Asduvarlun war mindestens genauso flink, und so traf Ligiya Tharkarún an der Schulter und zerfetzte sein violettes Gewand. Ein Schrei wie von einem waidwunden Tier drang aus seiner Kehle. Das Blut, das aus der Wunde quoll, war seltsam dunkel, und als es den Boden berührte, verzischte es zu einer kleinen Rauchwolke.
General Asduvarlun wich überrascht, ja fast erschrocken einen Schritt zurück. Er hatte ihn also doch verletzt: Tharkarún war nicht unverwundbar und er hatte ihn getroffen, die magische Waffe hatte ihm eine Wunde geschlagen. Schnell stürzte er wieder nach vorn, um noch einen Hieb anzubringen, doch sein Gegner hatte sich schnell wieder gefangen und konnte trotz der verletzten Schulter den Schlag mit seinem Stab abwehren.
Da hörte Asduvarlun
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