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The American Monstershow in Germany

The American Monstershow in Germany

Titel: The American Monstershow in Germany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Pawn
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sich eine Jacke überzuwerfen, erbrach sich Andreas Backhaus in einem sehr merkwürdigen Zimmer des Becker-Anwesens.
     
    Zehn Minuten später läutete Frau Schlüter an der Tür eines hübschen, frisch verputzten Einfamilienhauses, auf dessen Türschild in geschwungener Schrift Dr. med. dent. Wagner zu lesen stand. Dr. Wagner war allerdings offenbar noch in seiner Praxis, und auch seine Frau Regina war nicht zu Hause, denn Frau Schlüter läutete insgesamt dreimal vergeblich, ehe sie sich abwandte. Sie beschloss, spätestens in einer halben Stunde noch einmal vorbeizukommen, um sich zu erkundigen, was die jungen Leute zusammen unternommen hatten. Kerstin war ganz anders als Vera. Sie hatte ihren Eltern bestimmt gesagt, wo sie heute hinging.
    In der nachfolgenden halben Stunde, bevor sie erneut zu den Wagners hinüber ging, sagte sich Frau Schlüter wieder und wieder, dass es völlig unnötig sei, sich wegen einer fixen Idee, einer völlig von der Realität losgelösten Eingebung verrückt zu machen. Dennoch lief sie wie eine Tigerin im Käfig von einer Ecke ihrer Wohnung zur anderen. Sie wollte, nein, sie musste endlich eine Bestätigung haben, dass ihr plötzlicher Anfall von Entsetzen jeder Grundlage entbehrte.
    Glücklicherweise war Frau Regina Wagner zu Hause, als Ursula Schlüter erneut an der Haustür läutete. Sie zuckte ein wenig zusammen, als sie das nervöse Gesicht der Frau vor ihrer Tür sah.
    „ Guten Tag, Frau Schlüter“, sagte Regina Wagner dennoch ruhig und gefasst.
    „ Guten Tag, Frau Wagner, ich hoffe, Sie entschuldigen die Störung. Ich wollte nur fragen, ob Sie vielleicht wissen, ob Vera und Kerstin heute zusammen unterwegs sind.“ Ursula Schlüter war viel zu unruhig, um mit ihren Sorgen lange hinter dem Berg halten zu können.
    „Ja, Kerstin ist mit Vera und zwei von den Jungs aus ihrer Klasse zum Becker-Anwesen gegangen“, antwortete Frau Wagner. Dann machte sie eine einladende Geste in Richtung des eigenen Korridors. „Aber kommen Sie doch erst einmal herein, Frau Schlüter. Sie sehen so abgehetzt aus. Ist etwas passiert?“
    „ Nein“, sagte Frau Schlüter eintretend. Es klang ein wenig so, als hätte sie gerade einen 10000-Meter-Lauf hinter sich. „Das heißt, ich bin mir nicht sicher, was ich sagen soll. Es war nur ... es war ...“ Sie stockte, wusste nicht, wie sie es erklären sollte.
    ‚ Ich hatte eine Vision!‘ Nein, das konnte sie unmöglich sagen. „Nehmen Sie bitte Platz“, bot Regina Wagner ihr an, als sie das Wohnzimmer erreicht hatten.
    Ursula Schlüter setzte sich vorsichtig, als fürchte sie, ihn zu zerbrechen, auf einen der schlanken Stühle am Esstisch.
    „ So, und nun erzählen Sie mir, was Sie so sehr beunruhigt.“ Auch Regina Wagner ließ sich auf einem der Stühle nieder. Ihr Gesicht zeigte eine gespannte Aufmerksamkeit, die einer Reporterin auf der Spur einer heißen Sensation eigen ist. Frau Wagner hatte einige Zeit als Fotografin einer großen Illustrierten gearbeitet, ehe sie ihren Mann kennenlernte. Sie war 48, sah aber beinahe zehn Jahre jünger aus. Bei den Müttern verhielt es sich gerade anders als bei den Töchtern, hier war Regina Wagner deutlich die schönere.
     
    Während Ursula Schlüter Frau Wagner von ihrem merkwürdigen Erlebnis erzählte, verschlang die mörderische Wand in jenem Zimmer des Becker-Anwesens gerade die letzten Reste von Vera Schlüter. Nur noch das Gesicht zeigte sich wie ein Relief auf der Wand.
    Dirk stand auf Armeslänge von diesem letzten Rest Veras entfernt. Tränen hatten Spuren wie getrocknete Flussbetten auf seinen Wangen hinterlassen. Ein stumpfer Glanz lag in seinen Augen, die von dunklen Ringen umrahmt wurden.
    „ Wir müssen hier verschwinden“, hatte Andreas vor zehn Minuten gesagt. Es war der einzige Satz gewesen, den einer von ihnen seitdem gesprochen hatte.
     
    Dirk hatte nicht geantwortet. Er hatte sich nicht einmal zu Andreas umgewandt. Starr und wie in Trance hatte er in Veras Gesicht geblickt und geweint. Leise und mit vielen Tränen wie ein kleines Kind, das im Gewühl eines Kaufhauses seine Mutter verloren hat und langsam begreift, dass seine „Mama-Mama“-Schreie ungehört verhallen.
    Kerstin hatte gekreischt und war dann aufgesprungen, um in Richtung Tür zu stürzen. Andreas konnte sich ihr gerade noch entgegenwerfen, ehe sie diese erreichte. Er wusste nicht, was die Tür mit Kerstin gemacht hätte, aber er wollte es auch nicht wissen. Sie mussten vorsichtig zu Werke gehen, keinesfalls

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