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The American Monstershow in Germany

The American Monstershow in Germany

Titel: The American Monstershow in Germany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Pawn
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kopflos. Seit Andreas Kerstin aufgehalten hatte, saßen sie gemeinsam am Boden und schwiegen. Andreas entwickelte und verwarf Fluchtpläne, Kerstin hing ihren eigenen Gedanken nach.
    „ Vielleicht kann es uns gar nicht gefährlich werden“, sagte Kerstin, und es war eindeutig, dass sie eine Bestätigung dieser Ausnahme hören wollte, um nicht zu verzweifeln.
    „ Aber wir müssen hier raus, wir können nicht ewig hier hocken.“ Andreas wollte weder zustimmen noch ablehnen.
    „ Man wird uns vermissen, wenn wir nicht zurückkommen.“ Andreas schien es fast, als atme Kerstin auf, weil sie den rettenden Strohhalm gefunden hatte.
    „Kein Mensch weiß wo wir sind.“
    „Doch. Meine Mutter. Ich habe es ihr gesagt, bevor ich los bin. Ich sage meinen Eltern immer alles.“
    „ Ich dachte immer, du magst sie nicht besonders“, wunderte sich Andreas. Er überging geflissentlich, dass sich Kerstin nicht an die Abmachung gehalten hatte. Das war jetzt wahrscheinlich eine große Chance.
    Vera war jetzt fast vollständig verschwunden. Nur die Nase ragte noch hervor wie ein umgedrehter Wandhaken. Am verblüffendsten erschien es Andreas, dass die Wand keine Spuren ihres grausigen Tuns hinterließ. Nichts wies darauf hin, dass sich an dieser Stelle der Wand soeben ein grauenhaftes, ekelerregendes Schauspiel dargeboten hatte. Vera war einfach verschwunden. Einfach so. Verschwunden. Irgendwie erinnerte die Szene Andreas an den Film Ein Mann geht durch die Wand mit Heinz Rühmann. Auch da hatte es keine Spuren an den Wänden gegeben, wenn der Mann sie durchschritt.
    „ Dirk, wir kommen hier raus“, rief Kerstin diesem zu. Dirk starrte noch immer auf die Wand. Er machte keine Anstalten, sich von seinem jetzigen Platz zu lösen. „Dirk, wir kommen hier raus. Wir haben eine Chance!“
    Dirk wandte nur den Kopf, der rest liche Teil seines Körpers bewegte sich um keinen Millimeter. „Wie schön für euch“, sagte er tonlos. „Ich bleibe bei Vera.“
    „ Mein Gott, Dirk, es ist furchtbar, was mit Vera passiert ist. Aber wir können es nicht wieder rückgängig machen. Wir müssen jetzt zuallererst an uns denken.“
    „ Vera lebt. Sie ist nur durch die Wand gegangen.“
    ‚ Eine Frau geht durch die Wand‘, durchfuhr es Andreas.
    „ Nur durch die Wand, wie durch eine Tür.“ Dirk sprach tonlos, so als leiere er ein auswendiggelerntes Gedicht lustlos herunter.
    „ Quatsch“, brauste Andreas auf. „Dirk komm zu dir, Vera ist tot. Aber wir leben. Ich habe keine Lust, auch von einer Wand gefressen zu werden.“
    Dirk lächelte. In Zusammenhang mit dem tränengezeichneten Gesicht sah das grotesk aus. „Eine Wand frisst nichts auf. Sie wärmt uns. Sie gibt uns Schutz.“
    „ Verrückt geworden“, flüsterte Andreas Kerstin zu. Diese erschauerte. „Der Schock, vermute ich. Er wird wieder werden, wenn wir ihn hier rausbringen können.“
    „ Er macht mir Angst“, sagte Kerstin und rückte ein wenig näher an Andreas heran. „Er ist so ... so anders.“
    „ Nur ruhig“, antwortete Andreas gedämpft. „Wir werden es schon hinkriegen.“ Er blickte erneut zu Dirk hinüber, der inzwischen wieder die Wand anstarrte.
    Es war eine einfache Wand mit einer Streublümchentapete, die abgeschabt und verblichen aussah. Allerdings zeichnete sich ein etwas frischer wirkender Schattenriss ab, dort wo Vera aufgesaugt worden war.
    ‚ Sie blühen auf‘, ging es Andreas durch den Kopf. Er blickte noch einmal zu Dirk und dann wieder auf den Streublümchenteppich, der sich über die Wand erstreckte. Er sah nicht gefährlich aus. Er erinnerte an eine bunte Sommerwiese, auf die der Schatten einer großen Wolke fiel. Im vergangenen August hatte Andreas etwas Ähnliches gesehen, als er, Dirk und die Mädchen am Baggersee baden waren. Sie hatten alle vier keine Badesachen dabei gehabt. Es war der Tag gewesen, an dem sich Andreas ganz spontan in Kerstin verliebt hatte. Streublumen, es waren nur Blumen, nur eine bunte Sommerwiese im Schatten eines aufkommenden Gewitters.
    Dann sah Andreas die Augen. Zwei der Streublumen hatten sich verwandelt. Es waren jetzt Veras wunderschöne blaue Augen, und sie strahlten in ihrem alten Glanz. Sie lächelten, also musste es Vera gut gehen. Vera saß da auf dieser schönen, warmen Sommerwiese, umgeben von duftendem Gras und Blumen und wartete auf ihn.
    Andreas erhob sich langsam. Er starrte noch immer auf die Wand, die Vera gefressen hatte. Wie verzaubert starrten seine Augen auf jene beiden Streublumen, in

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