The American Monstershow in Germany
denen er Veras Augen sah. Trance hatte ihn umfangen. Der erste Schritt, der zweite
„Andreas! Was hast du vor?“ Kerstin schrie aus Leibeskräften. Sie war aufgesprungen und hatte Andreas am Arm gepackt. „Willst du dich umbringen?“
Andreas tat einen weiteren Schritt auf die Wand zu. Kerstin krallte sich in seinen Arm, als wolle sie ihm das Fleisch von den Knochen reißen. Schmerzen durchfluteten Andreas. Er wandte den Blick von der tödlichen Wand und blickte auf den malträtierten Arm. Langsam, aber stetig floss das Bewusstsein wieder in sein Hirn zurück. Er sah in Kerstins Augen und erkannte die nackte Angst, die sich darin spiegelte. Dann begriff er, wie nah er der Wand inzwischen gekommen war.
„ Mein Gott“, stöhnte er auf, „was war los? Sie hätte mich erwischt. Diese teuflische Wand hätte mich erwischt.“
„ Du sahst aus wie Dirk“, sagte Kerstin bedächtig. Dann weinte sie ein bisschen.
Andreas legte ihr den Arm um die Schulter und wich ein paar Schritte von der Wand zurück, die ihn beinahe eingefangen hätte.
‚ Was kann sie noch?‘ fragte sich Andreas im Stillen.
Ein Gedicht von Morgenstern fiel ihm ein:
Tapetenblume bin ich fein,
kehr wieder ohne Erde,
doch, statt im Mai'n und Mondenschein,
auf jeder der vier Wände.
Du siehst mich nimmerdar genug,
so weit du blickst im Stübchen,
und folgst du mir per Rösselsprung -
wirst du verrückt, mein Liebchen.
‚ ... wirst du verrückt, mein Liebchen‘, echote die letzte Zeile in seinem Kopf nach. ‚Was kann sie noch?‘
„ Wir müssen Dirk von der Wand wegbringen. Du hast erlebt, was mit mir geschehen ist. Wenn er noch lange so dort steht und die Wand anstarrt, werden wir ihm nicht mehr helfen können.“ Andreas blickte jetzt direkt in Kerstins Gesicht. Er versuchte, ein wenig Zuversicht auszustrahlen, war sich aber nicht sicher, ob es ihm wirklich gelang.
‚ ... wirst du verrückt, mein Liebchen. Hatten sie eine Chance?‘
Andreas erhob sich gemeinsam mit Kerstin. „Was immer auch geschieht, sieh nicht auf die Tapetenblumen. Sie machen verrückt“, schärfte Andreas dem Mädchen ein.
„ Ja“, antwortete Kerstin schlicht. Dann gingen sie zu Dirk hinüber.
„ Dirk, wir müssen uns von der Wand zurückziehen. Sie hat bereits Vera gefressen.“ Andreas war neben Dirk getreten und redete ruhig auf diesen ein. Dirk verzog keine Miene. Sein Gesicht war das einer Wachspuppe. Madam Toussaud hätte ihre helle Freude an ihm gehabt. „Dirk, man wird uns hier rausholen. Kerstins Eltern wissen, wo wir sind.“
„ Ich weiß auch, wo wir sind“, antwortete Dirk mit einem Anflug von heiterer Gelöstheit in der Stimme.
„ Bist du sicher?“
„ Auf einer Wiese. Wir warten nur auf Vera. Sie ist zum See hinuntergegangen. Dort entlang.“ Dirk deutete auf die Wand. Sein Finger war kaum eine Handbreit von dieser entfernt.
„Dirk!“ schrie Kerstin. „Es wird dich umbringen.“ Sie packte Dirks Arm, wie sie zuvor den von Andreas gepackt hatte. Sie zerrte daran, als wäre es ein Pumpenschwengel.
Dirk reagierte nicht darauf. „Seht ihr, Vera winkt mir. Ich soll zu ihr kommen. Sie wartet auf mich. Sie wartet auf mich, und wir werden uns lieben.“
„ Dirk, was redest du da.“ Andreas schlug Dirk ins Gesicht. Die Ohrfeigen klatschten links und rechts auf dessen Wangen. Einen Augenblick lang sah es so aus, als käme Dirk wieder zu klarem Verstand.
„ Bist du verrückt“, fuhr er Andreas an. „Wie kannst du es wagen, mich zu schlagen.“ Zorn funkelte in seinen Augen. „Ah, ich verstehe“, fuhr er dann fort. „Du bist eifersüchtig, weil Vera mir gehört.“
„ Vera ist TOOOT!!!“ brüllte Andreas. Nie hätte er geglaubt, dass Dirk das Mädchen so geliebt hatte.
„ Ich werde dir zeigen, wer hier tot ist.“ Dirk wandte sich vollends zu Andreas um. Dieser glaubte schon, er hätte Erfolg. Sollte Dirk ihn ruhig verprügeln, Hauptsache war, sie kamen alle drei aus diesem Teufelszimmer raus. Dann ging alles blitzschnell. Dirk verpasste Andreas einen Stoß gegen die Brust, dass dieser zwei Schritte zurücktaumelte.
Andreas hatte plötzlich die Vorstellung, er fiele rückwärts, schlüge mit dem Kopf gegen die Wand und würde dann ..., weiter wollte er nicht denken.
Inzwischen hatte Dirk auch Kerstin abgeschüttelt. Er war auf die Wand zugetreten, die Arme nach vorn einer imaginären Vera entgegengestreckt. Als beide Hände die Wand berührten, oder das, was einmal eine Wand gewesen war, begann Dirk zu
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