The American Monstershow in Germany
für das halten, was es war: ein Haufen durcheinander geworfener Knochen.
An der Tür zum Käfig war ein einfaches Vorhängeschloss angebracht. Eines jener Modelle, die jeder Säugling mit dem Schnuller öffnen kann. Jürgen war neugierig, und er war hier am Ziel seiner Wünsche. Er wollte wissen, wie die Nummer mit den Skeletten funktionierte, und jetzt stand er den Protagonisten dieser Nummer gegenüber. Da würde er sich bei seiner Untersuchung von einem so lächerlichen Schloss nicht aufhalten lassen.
Ehe Andreas es verhindern konnte, hatte Jürgen das Schloss mit einem Taschenmesser geöffnet. Vielleicht war es sträflicher Leichtsinn, ein so einfaches Schloss zur Sicherung dieses Wagens zu nutzen, aber wer rechnete schon damit, dass es einen solch Verrückten gab, der die Tür zu lebenden Skeletten aufbrach.
Als die Gittertür zur Seite geschoben wurde, gab sie ein lautes Knackgeräusch von sich. Dieses weckte die Skelette, die sofort bemerkten, dass sich ein Fremder an ihrem Wagen zu schaffen machte. langsam, die bleichen Knochen noch ordnend, rappelten sie sich auf.
Eine der Knochengestalten wendete den Kopf zu Jürgen um. Sie warf ihm aus leeren Augenhöhlen einen verwunderten Blick zu. So jedenfalls deutete es Andreas, der die Szene mit Entsetzen verfolgte. Dies war der Augenblick, in dem auch Jürgen begriff.
„ Ich fass es nicht“, rief er mehr erstaunt als erschreckt aus.
Die Skelette hatten sich erhoben und drängten zum Ausgang. Andreas wurde von Panik erfasst, und auch Jürgen interessierte sich nun nicht mehr für die Wunder dieser Show. Als er sah, dass sein Freund Fersengeld gab, lief er sofort hinterher, ohne daran zu denken, den Käfig wieder zu verschließen.
Als sie den Zaun erreichten, rief Andreas: „Nun weißt du, wie die Skelettnummer funktioniert hat. Bist du zufrieden?“
Jürgen zog es vor, zu schweigen und sich von Andreas über den Zaun helfen zu lassen.
Die Skelette verließen bedächtig, ohne besondere Hast ihren Wagen und machten sich auf den Weg, ihren Dompteur zu erledigen, der gerade bei einer Flasche Bier im Wohnwagen saß und eine Tennisübertragung verfolgte. Es war die letzte Tennisübertragung, die er in seinem Leben sah.
Die Skelette bemächtigten sich der Schlüssel für die übrigen Käfigwagen und ließen auch die anderen Monster frei. Seit dieser Nacht sind die Monster Amerikas auch in Deutschland zu Hause.
Nur ein Traum
M it schreckgeweiteten Augen und einem stummen Schrei auf den Lippen fuhr Maik Heinze aus dem Schlaf auf. Er krallte die Finger links und rechts fest um die Bettkante, als hätte er Angst, herausgeschleudert zu werden.
Ein Alptraum hatte ihn genarrt. Er war in eine ausweglose Situation geraten, hatte dem Tod ins Auge gesehen und war genau in dem Augenblick erwacht, als ihn der Gevatter mit sich nehmen wollte.
Maik setzte sich im Bett auf, fuhr mit den Füßen gewohnheitsmäßig in die Hausschuhe und drehte den Wecker so, dass er die grünlich leuchtenden Zahlen der Digitalanzeige besser erkennen konnte. Es war 3.12 Uhr, mitten in der Nacht.
Schlaftrunken erhob sich Maik und schlurfte mit den trägen Bewegungen einer 200jährigen Schildkröte ins Bad. Dabei war er gerade erst 23.
Er war Vertreter eines bekannten Spielzeugherstellers und als solcher in seinem Gebiet recht erfolgreich. Er war ledig, aber eine der Verkäuferinnen aus dem Discount an der Ecke übernachtete an den Wochenenden regelmäßig bei ihm. An Maik Heinze war nichts, was ihn wesentlich von anderen jungen Männern seines Alters unterschied. Darauf legte er es auch gar nicht an.
Auf der Toilette sitzend versuchte Maik, sich noch einmal an seinen Alptraum zu erinnern. Aber es gelang ihm nicht, sich das Ereignis ins Gedächtnis zurückzurufen, das ihn so entsetzt hatte. Er konnte sich nur noch erinnern, dass plötzlich etwas Gigantisches auf ihn zugerast kam, dem er nicht entkommen konnte. Aber was es gewesen, woher es gekommen war, wie alles zusammenhing – das blieb ein Rätsel. Maik erschien es wichtig, sich seiner Träume zu erinnern, denn er glaubte, dass sie, wenn sie nicht Vergangenes aufarbeiteten, einen Blick in die eigene Zukunft boten. Maik Heinze hatte sich esoterische Werke zugelegt, die ihn in seiner Meinung bestärkten. Wenn er also einen Alptraum mit tödlichem Ausgang gehabt hatte, war es geradezu lebenswichtig, sich zu erinnern. Doch die Erinnerung wollte sich nicht einstellen.
Maik zog kräftig die Spülung, als wolle er auch sein Gehirn
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