The Attack
Aber sie wollen Beweise und eine sei's auch nur minimale Berücksichti-gung des internationalen Rechts. Die ägyptische Position ist noch schwieriger. Ägypten ist Teil des Systems, das die radikalen islamistischen Kampfgruppen ausgebildet hat, zu denen auch die Organisation von Bin Ladin gehörte, und Ägypten war eines der ersten Opfer, als Anwar el-Sadat ermordet wurde. Man wäre die Radikalislamisten gerne los, wünscht aber Beweise dafür, wer in diese Ter-rornetze verstrickt ist. Außerdem sollten Gegenaktionen im Rahmen der UN-Charta und unter der Schirmherr-schaft des Sicherheitsrats stattfinden.
Der Angriff und seine Ursachen 17
Wenn man diesen Kurs einschlägt, wird man die Eskalation von Gewalt vermeiden. Wenn man mit Gewalt zu-rückschlägt, wird man weitere Gewalt heraufbeschwören.
Anmerkung
l United States Code Congressional and Administrative News, 98.
Kongreß, 2. Sitzungsperiode, 19. Oktober 1984, Bd. 2, § 3077, 98
STAT. 2707 (West Publishing Co., 1984).
II. Ideologische Begleitmusik
Die Rolle der Medien
Zunächst ist festzuhalten, daß die Berichterstattung in den US-amerikanischen Medien weniger uniform ist, als sie im Ausland erscheinen mag. Sogar die New York Times räumte dieser Tage ein, daß die Stimmung in New York ganz anders ist, als bisher von den Mainstream-Medien (und auch von der New York Times selbst) vermittelt wurde. Sie berichtet jetzt, daß »die Kriegstrommel in den Straßen von New York kaum zu hören ist« und der
Wunsch nach Frieden auch dort, wo um die Opfer getrauert und ihr Verlust beklagt wird, »stärker ist als der Ruf nach Vergeltung«. Und das gilt nicht nur für New York. Wir sind uns alle darin einig, daß die Drahtzieher des Attentats aufgespürt und bestraft werden müssen, aber ich glaube, die Mehrheit will nicht, daß blind zurückgeschlagen wird und dabei Unschuldige umkommen.
Es ist typisch für die großen Medien und die vorgeb-lichen Intellektuellen, bei einer Krise sich auf die Seite der Macht zu stellen und zu versuchen, die Bevölkerung mit-zuziehen. Das geschah bei der Bombardierung Serbiens und auch während des Golfkriegs - und ist historisch gesehen eine ganz geläufige Taktik.
Geläufig ist auch die Auffassung westlicher Intellektueller, die Ursache für den Angriff auf das World Trade Center liege in »der Globalisierung«. Aber damit schließt 20 Noam Chomsky
man die Augen vor den eigentlichen Zusammenhängen.
Der ägyptische Präsident Anwar el-Sadat wurde nicht wegen der Globalisierung umgebracht. Auch der erste Anschlag auf das World Trade Center, 1993, hatte damit nichts zu tun. Und die von der CIA unterstützten »afghanischen« Milizen kämpften nicht wegen der Globalisierung gegen die Sowjets.
In Ägypten und anderen Ländern der arabischen Region sind selbst pro-amerikanisch eingestellte Angehörige der reicheren Schichten enttäuscht und verbittert über die Politik der USA. Das hat aber überhaupt nichts mit der sogenannten Globalisierung, McDonalds oder Jeans zu tun. Und in der breiten Bevölkerung sind diese Ressenti-ments ebenso, nur sehr viel stärker, ausgeprägt.
Die Vereinigten Staaten und die Länder des Westens machen es sich mit dieser Entschuldigung zu einfach. In der New York Times hieß es: »Die Täter handelten aus Haß gegen die im Westen geheiligten Werte wie Freiheit, Toleranz, Wohlstand, religiöser Pluralismus und allgemeines Wahlrecht.«1 Die Politik der USA ist unwichtig und muß daher gar nicht erwähnt werden. Das ist ein beruhigendes Bild und eher die Norm als die Ausnahme. Es steht quer zu allem, was wir wissen, dient aber der Selbst-beweihräucherung und der kritiklosen Unterstützung der Macht. Leider erhöht diese Haltung das Risiko weiterer Greueltaten - womöglich schlimmerer als die vom 11.
September.
Was Bin Ladin und seine Organisation betrifft, so sind ihnen Globalisierung und kulturelle Hegemonie der USA ebenso egal wie die Armen und Unterdrückten im Mittleren Osten, denen sie seit Jahren Schaden zufügen. Worum es ihnen geht, sagen sie laut und deutlich: Sie befinden sich in einem Heiligen Krieg gegen die korrupten, unter-Ideologische Begleitmusik 21
drückerischen und »unislamischen« Regimes der Region und ihre Unterstützer. Sie haben schon in den achtziger Jahren einen Heiligen Krieg gegen die Sowjets geführt und tun das jetzt in Tschetschenien, Westchina, Ägypten und anderswo.
Bin Ladin selbst hat vielleicht nie etwas von Globalisierung gehört. Robert Fisk, der ein
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