The Bards Tale 01 - Die Burg der Verräter
der ersten zwanzig Jahre der Regierung König Sendaks? ‹
Und was hatte eine Abhandlung über Politik zwischen zwei Bänden ziemlich schauerlicher Liebesgedichte zu suchen?
Woher will der Meister überhaupt genau wissen, daß das Manuskript hier ist?
Durch Bardenmagie natürlich. Kevin setzte zu einem Seufzer an, aber es wurde ein Husten daraus. Verdammter Staub!
Der Bardling unterbrach seine Suche nur so lange wie er brauchte, um einem verwirrten Pagen sein Mittagessen aus der Hand zu reißen. Dann stürzte er sich erneut in die Bücherstapel. Ein Buch über Farmgeräte. Hier eins über Viehseuchen. Eines über Schweine, Wild- und Hausschweine. Ein Buch über …
»Au!«
Kevin wäre beinah von der Leiter gefallen, schaffte es jedoch gerade noch rechtzeitig, die Balance zu halten.
Irgend etwas auf dem Regal hatte ihn gebissen!
Nein. Nein, es war gar kein Biß gewesen, mehr ein seltsames Prickeln in seinen Fingerspitzen. Kevin schaute mißmutig auf das letzte Buch, das er berührt hatte –
und stieß einen Freudenschrei aus. Ja, ja, ja ! Endlich hatte er das Manuskript gefunden, das er brauchte!
Der Bardling hastete die Leiter hinunter, wobei er seine Beute fest umklammerte, und brachte sie zu dem einzigen Tisch in der Bibliothek. Im Gehen wischte er den Staub von dem Ledereinband. Zwar war der Tag fast vorüber, aber er konnte wenigstens mit der Abschrift anfangen. Irgend jemand hatte ihn, vermutlich auf D’Krikas Geheiß, mit allem Nötigen versorgt. Kevin fand ein Tintenfaß und zwei Federkiele auf dem Tisch und einen schönen Stapel Pergament in einer Schublade. Der Bardling blieb einen Moment ruhig sitzen, das geöffnete Manuskript erwartungsvoll vor sich, und begann dann eifrig mit seiner Arbeit.
Doch nach einem Augenblick richtete Kevin sich wieder auf und zwinkerte verwirrt. Er hätte schwören können, daß das ganze Manuskript in der üblichen Schrift abgefaßt war, die von den meisten menschlichen Nationen hier im Westen benutzt wurde – doch nun erschienen einige der Worte in einer vollkommen anderen Sprache.
Der Bardling rieb sich die Augen. Er hatte einfach zuviel Zeit an diesem staubigen Ort verbracht und nach alten Büchern gesucht. Manuskripte wechseln nicht so einfach ihre Sprache.
Doch als Kevin einen zweiten Blick darauf warf, sah er ohne jeden Zweifel, daß einige der Buchstaben sich tatsächlich, langsam und graziös, vor seinen Augen veränderten. Sie verwandelten sich von menschlicher Schrift in komplizierte, wunderschöne, fremdartige Buchstaben.
Elfisch, realisierte der Bardling mit einem Schock. Er kannte die Schrift aus einigen Musikbüchern seines Meisters.
Kevin unterdrückte ein Stöhnen, als ihm klarwurde, was er da vor sich hatte. Er konnte nur ein paar Worte in Elfisch lesen. Das bedeutete, er mußte die Symbole Zeile für Zeile kopieren, viel langsamer und sorgfältiger, als er das bei einer Sprache hätte tun müssen, die er verstand.
Oh, wundervoll! Noch mehr verschwendete Zeit!
Doch als der Bardling anfing, das Manuskript abzuschreiben, Wort für Wort, Zeichen für Zeichen, durchrann ihn ein Schauer des Erstaunens. Obwohl das Elfische sich nicht wunderbarerweise einfach für ihn übersetzte, und obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, was er da abschrieb, konnte die bloße Tatsache, daß er gesehen hatte, wie sich die Buchstaben vor ihm verwandelten, nur eins bedeuten: Die Gabe der Bardenmagie, die so lange in ihm geschlummert hatte, erwachte endlich! Es juckte ihn in den Fingern, nach seiner Laute zu greifen und zu versuchen, ob die magischen Lieder vielleicht auch für ihn irgendwelche Kräfte in sich hatten!
Eins nach dem anderen. Er mußte zunächst das Manuskript beenden.
Mochte seine Magie auch allmählich erwachen, seine Augen jedenfalls begannen zu schmerzen. Es wurde immer schwieriger, die Seiten zu erkennen. Kevin sah plötzlich verblüfft, wie dunkel es in der Bibliothek geworden war. Er hatte gar nicht gemerkt, wie die Stunden verflogen waren, doch mittlerweile war es eindeutig zu spät, um noch weiter zu kopieren. Immerhin hatte er einen guten Anfang gemacht. Und … die Magie, dachte er staunend und erschauerte erneut, ich werde endlich die Bardenmagie beherrschen.
Langsam stand Kevin auf und reckte seine steifen Muskeln. Doch mitten in der Bewegung erstarrte er. Einem Impuls gehorchend, den er selbst nicht ganz verstand, versteckte der Bardling das Manuskript vorsichtig hinter einem Regal mit Büchern.
So. Hier dürfte es bis morgen
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