The Bards Tale 01 - Die Burg der Verräter
hinwegrollte. Da sah er, wie das perfekte Oval ihres Gesichts an der Stirn einen winzigen Tick breiter und am Kinn schmaler wurde, bis sie aussah wie
…
»Charina!« stieß der Graf hervor.
»Charina«, gab die Prinzessin zu. »Deine entzückende kleine Nichte.«
Zu verblüfft, um den Anstand zu wahren, sprang Volmar auf und umrundete sie langsam. »Erstaunlich!« stieß er schließlich hervor. »Wirklich erstaunlich! Ich hätte niemals gemerkt, daß Ihr nicht die richtige … Aber was machen wir mit der echten Charina?«
Ihre Stimme war verräterisch unbeschwert. »Ich bin sicher, daß du dir da etwas einfallen läßt.«
»Ach ja.« Volmar lächelte schmallippig. »Arme Charina. Sie war immer schon eine kleine Nervensäge, so geisterhaft, wie sie in der Burg umhergewandelt ist. Wie tragisch, daß meine Schwester und ihr Narr von einem Ehemann die Ungeschicklichkeit begingen, zu sterben.
Das arme kleine Geschöpf. Zu weit von unserer Blutlinie entfernt, um als Hochzeitspfand von irgendeinem Nutzen zu sein. Sie hat überhaupt keinen politischen Wert, sondern ist nur ein nutzloses Mädchen.«
»Jetzt ist sie nicht nutzlos.« Carlottas/Charinas Lächeln ließ entzückende Grübchen auf ihren Wagen erscheinen.
»Arme Charina«, wiederholte Volmar ohne die geringste Wärme in der Stimme. »Man kann sich ihrer so leicht entledigen. Niemand wird sie vermissen.«
4. KAPITEL
Kevin wachte mit einem Ruck auf, als etwas mitten auf seinem Gesicht landete, sich über seine Nase und seinen Mund preßte und ihn zu ersticken drohte. Keuchend riß er das Monster zur Seite und … fand sich mit einem nassen Handtuch in der Hand wieder.
»Sehr komisch …!« begann er wütend, doch er redete zu nackten Wänden. Der letzte Knappe verschwand gerade aus dem Saal, und draußen ertönte noch ihr Gelächter.
Kevin stand schäumend vor Wut auf und ging in die Waschräume. Es erleichterte ihn, daß der Graf wenigstens nicht darauf bestand, seine Untergebenen unwürdige Nachttöpfe benutzen zu lassen. Doch als er sich im Gemeinschaftsraum waschen wollte, stellte er fest, daß die Knappen ihm nur ein paar Tropfen Wasser gelassen hatten. Es reichte kaum, um sich das Gesicht zu bespritzen.
Wahrscheinlich sollte ich froh sein, daß das Wasser wenigstens sauber ist!
Grollend zog er sich an, nachdem er seine Kleidung aus der Kiste am Fußende seines Bettes geholt hatte, und frühstückte allein – wenigstens hatten sie ihm etwas zu Essen gelassen: ein Brötchen und ein paar Brocken Käse, die er mit einem lauwarmen Krug Khafe hinunterspülte.
Jetzt mußte er nur noch die Bibliothek des Grafen finden.
Leicht gesagt! Kevin irrte einige Zeit hilflos durch die Korridore der Burg. D’Krikas würde ihn dafür gewiß schelten, weil er dort herumlief, wo er sich nicht aufhalten durfte. Schließlich stieß er zu seiner Erleichterung auf einen Pagen, einen verschüchterten Burschen, der noch jünger war als Arn. Der wies ihm scheu die Richtung und verschwand dann.
Endlich einer , dachte der Bardling ironisch, dessen Stellung hier noch niedriger ist als meine.
Die Bibliothek war ein großer, staubiger Raum mit hohen Regalen, die mit Schriftrollen und Büchern in allen Größen gefüllt waren. Es roch derartig stark nach staubigem alten Pergament und Leder, daß Kevin niesen mußte. Offenbar genoß Gelehrsamkeit keinen hohen Stellenwert in der Burg des Grafen!
Als der Bardling sich in dem überfüllten Raum umsah, schüttelte er schwermütig den Kopf. Die Bibliothek ging auf einen Innenhof hinaus. Außerdem waren wenigstens die Fenster groß genug, damit er sehen konnte, was er tat.
Aber nirgendwo war ein Titel zu erkennen, weder auf den Büchern noch auf den Kästen mit den Schriftrollen.
Und es gab auch keinen Anhaltspunkt für die Anwesenheit eines Bibliothekars. Vermutlich gab es überhaupt keinen, dem Staub in dem Raum nach zu urteilen.
Na gut. Je schneller er anfing zu suchen, desto schneller würde er diesen albernen Job zu Ende bringen können.
Am Nachmittag war Kevin staubbedeckt, müde vom ständigen Hoch- und Runtergeklettere auf der wackligen Leiter der Bibliothek und hatte den ganzen Raum satt.
Ha, vermutlich wußte er mittlerweile mehr über den Bestand der gräflichen Bibliothek als irgend jemand sonst, einschließlich des Grafen! Was war das bloß für eine sonderbare Sammlung, bar jeder Logik! Warum in aller Welt brauchte jemand nicht nur eine, sondern drei Ausgaben von › Ackerbau in der Provinz Kendall während
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