Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
Vom Netzwerk:
… also, jetzt?«
    »Nein, ich wollte nur meine Sammlung sichergestellter Arzneien ordnen«, erwiderte er. Ich hatte keine Ahnung, ob das seine Vorstellung von einem Witz war. Wohl eher nicht. »Manche davon, etwa die Kronenanemone, können dazu benutzt werden, uns Schaden zuzufügen.« Er holte eine rote Blüte aus der Schachtel. »Gewisse Gifte müssen also von den Menschen ferngehalten werden.« Er warf mir einen durchdringenden Blick zu. »Wir möchten nicht, dass sie, sagen wir mal, im Haus Verbreitung finden. Das würde unsere geheimsten Bestände gefährden.«
    Rote Blume , hatte in Davids geheimnisvoller Notiz gestanden. Einzige Methode .
    Die einzige Methode, mit der man Rephaim töten konnte?
    »Nein«, bestätigte ich langsam. »Das wäre nicht gut.«
    *
    In der Hüttensiedlung war es ruhig. Seit Suhail mich nach Magdalen geschleift hatte, hatte ich Liss nicht mehr gesehen. Erst jetzt war mein Bruch verheilt, und so hatte ich keine Gelegenheit gehabt, nach ihr zu schauen und mich zu vergewissern, ob sie den Verlust ihrer Karten überlebt hatte.
    Sie war bei Bewusstsein, aber geistig abwesend, die Lippen blass, der Blick unstet. Der Schock hatte sie fest im Griff.
    Julian und der Akrobat mit der Brille, der mich am ersten Tag angesprochen hatte – Cyril hieß er – , hatten es sich zur Aufgabe gemacht, für sie zu sorgen. Sie fütterten sie, kämmten ihr die Haare, behandelten die Brandwunden an ihren Händen und sprachen mit ihr. Sie lag teilnahmslos da, steif und klebrig, und murmelte zusammenhangloses Zeug über den Æther. Da sie nicht länger mit ihm in Kontakt treten konnte, wurde sie nun von dem natürlichen Drang beherrscht, ihren Körper zu verlassen und in ihm aufzugehen. Es lag an uns, diesen Drang im Keim zu ersticken und sie bei uns zu behalten.
    In Ducketts Laden tauschte ich zwei Pillen gegen einen Spiritus, Streichhölzer und Bohnenkonserven ein. Karten hatte er keine. Sie waren alle von einer Rotjacke konfisziert worden: von Kathryn, die sichergehen wollte, dass Liss weiter litt. Sie konnte von Glück reden, dass der Wächter verhindert hatte, dass sie mich zu Gesicht bekam.
    Als ich in den Unterschlupf zurückkam, blickte Julian hoch. Seine Erschöpfung zeigte sich in den blutunterlaufenen Augen am stärksten. Statt seiner rosa Tunika trug er ein schäbiges Shirt und Stoffhosen.
    »Du warst ziemlich lange verschwunden, Paige.«
    »Ich war weg. Erkläre ich dir später.« Ich ging neben Liss in die Hocke. »Isst sie?«
    »Gestern konnte ich ihr etwas Suppe einflößen, aber sie hat alles wieder ausgekotzt.«
    »Und die Verbrennungen?«
    »Übel. Wir brauchen Brandsalbe.«
    »Versuchen wir es noch mal mit Essen.« Sanft strich ich über ihre verschwitzten Locken und kniff sie in die Wange. »Liss?«
    Obwohl ihre Augen geöffnet waren, reagierte sie nicht. Ich zündete das Spiritusschälchen an. Cyril trommelte ungeduldig mit den Fingern auf seinem Knie herum. »Komm schon, Rymore«, sagte er gereizt. »Du kannst nicht so lange von der Bühne wegbleiben.«
    »Ein bisschen Mitgefühl könnte auch nicht schaden«, merkte Julian an.
    »Keine Zeit. Bald wird Suhail hinter ihr her sein. Eigentlich sollte sie mit mir auftreten.«
    »Wissen sie es denn noch nicht?«
    »Bisher ist Nell für sie eingesprungen. In Kostüm und Maske sehen sich die beiden ziemlich ähnlich – gleiche Größe, gleiche Haarfarbe. Aber Nell ist nicht so gut wie sie. Sie stürzt öfter.« Cyril sah wieder zu Liss. »Rymore stürzt nie.«
    Julian stellte eine Dose Bohnen auf die Flamme. Ich suchte mir einen Löffel, schlang Liss einen Arm um die Schulter und stützte sie. Aber sie schüttelte nur abwehrend den Kopf.
    »Nein.«
    »Du musst etwas essen, Liss.« Julian umklammerte ihr kaltes Handgelenk. Keine Reaktion.
    Als das Essen heiß war, schob Julian ihren Kopf nach hinten, und ich flößte ihr die Bohnen Löffel für Löffel ein, auch wenn es ihr kaum gelang, sie runterzuschlucken. Das klebrige Zeug lief ihr übers Kinn. Schließlich schnappte sich Cyril die Dose und kratzte sie mit bloßen Händen aus. Ich hockte mich auf die Fersen zurück und sah zu, wie Liss kraftlos auf ihr Lager sank.
    »Das kann so nicht weitergehen.«
    »Aber wir können nichts machen .« Julian ballte eine Faust. »Selbst wenn wir irgendwo Karten auftreiben, ist das keine Garantie dafür, dass sie auch funktionieren. Das ist ein bisschen so, als würden wir ihr einen Arm transplantieren – es bleibt das Risiko, dass sie sie

Weitere Kostenlose Bücher