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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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überrascht, dass ich meinen Kaffee verschüttete. »Muss sie denjenigen dazu persönlich umbringen?«
    »Ja. Wir nennen sie ›gefallene Engel‹.« Er musterte mich durchdringend. »Und sie sind dazu gezwungen, für immer bei ihrem Mörder zu verharren.«
    Ich stand auf.
    »Ihr seid böse.« Der Becher glitt mir aus der Hand. »Wie kannst du von mir erwarten, dass ich mit dir rede und dich behandle wie einen Menschen, wenn deine Gefährtin zu so etwas in der Lage ist? Und du ihr danach noch in die Augen schauen kannst?«
    »Sagte ich etwa, ich selbst hätte je einen gefallenen Engel herbeigerufen?«
    »Aber du hast Menschen getötet.«
    »Genau wie du.«
    »Das lässt sich nicht vergleichen.«
    Seine Miene hatte sich verändert, der leise Spott war verschwunden.
    »Ich weiß nicht, was ich für diese Welt tun kann«, sagte er, »aber ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht.«
    »Dich brauche ich sicher nicht als Beschützer. Na los, schieb mich ab. Verscherbele mich an irgendjemand anders. Ich will nicht mehr deine Schülerin sein. Ich will einen anderen Hüter, ich will zu Thuban. Schick mich zu Thuban.«
    »Du möchtest ganz bestimmt keinen Sargas als deinen Hüter haben, Paige.«
    »Sag du mir nicht, was ich will. Ich will … «
    »Du willst dich wieder sicher fühlen.« Er stand auf, achtete aber darauf, dass wir weiter durch den Tisch getrennt wurden. »Du möchtest, dass ich so mit dir umspringe wie Thuban und die anderen mit ihren Menschen, weil du dann das Gefühl hättest, die Rephaim mit vollem Recht hassen zu können. Doch weil ich dir nicht wehtue und versuche, dich zu verstehen, läufst du vor mir weg. Der Grund dafür ist mir natürlich bekannt. Du begreifst meine Motivation nicht. Immer und immer wieder fragst du dich, warum ich dir helfen will, kommst dabei aber zu keinem Ergebnis. Aber das bedeutet nicht, dass es dieses Ergebnis nicht gibt , Paige. Es bedeutet nur, dass du es noch erkennen musst.«
    Ich ließ mich wieder in den Sessel fallen. Der kochend heiße Kaffee hatte meine Hose durchnässt. Als er das bemerkte, sagte der Wächter: »Ich werde dir etwas Frisches geben.«
    Damit ging er zu seinem Kleiderschrank. Ich war wütend, weil Tränen in meinen Augen brannten. Fast glaubte ich, Jaxons spöttische Stimme zu hören: » Dummes Ding, du. Sieh dich an, hockst da wie ein weidwundes Reh. Kopf hoch, Liebes! Was erwartest du denn – Verständnis? Mitleid? Das wirst du von ihm nicht kriegen, genauso wenig wie du es je von mir bekommen hast. Die Welt ist ein Schlachthof, meine kleine Ganovenbraut. Reiß dich verdammt noch mal zusammen. Ich will sehen, wie du es ihm so richtig zeigst.«
    Der Wächter präsentierte mir eine lange, schwarze Tunika. »Ich hoffe, sie passt.« Er reichte sie mir. »Ein wenig groß wird sie wohl sein, aber zumindest hält sie dich warm.«
    Ich nickte. Der Wächter drehte sich um, sodass ich die Tunika überstreifen konnte. Ja, er hatte recht: Das Ding reichte mir bis zu den Knien. »Fertig«, sagte ich.
    »Setzt du dich wieder hin?«
    »Als hätte ich eine andere Wahl.«
    »Ich lasse dir die Wahl.«
    »Was soll ich eigentlich sagen?«
    »Im Idealfall würdest du mir erzählen, wer in der Vergangenheit so grausam zu dir war, dass du zu dem Schluss gelangt bist, niemandem mehr vertrauen zu können.« Er kehrte zu seinem Sessel zurück. »Aber ich weiß, dass du mir diese Information nicht anvertrauen wirst. Du möchtest deine Freunde beschützen.«
    »Keine Ahnung, was du da redest.«
    »Natürlich.«
    Langsam hatte ich die Schnauze voll. »Gut, ja, ich habe Seherfreunde. Ist nicht jeder Seher mit anderen Sehern befreundet?«
    »Nein. Das Syndikat in London ist im Laufe der Jahre immer stärker geworden. Unsere Gefangenen sind meistens Außenseiter, jene, die allein oder auf der Straße leben, weil sie nicht in der Lage sind, ihre Fähigkeiten unter Kontrolle zu halten. Oder weil ihre Familien sie rausgeworfen haben. Deshalb sind viele von ihnen froh, wenn sie uns dienen können: Sie wurden von den Ihrigen schlecht behandelt. Und auch wenn die Rephaim sie als Bürger zweiter Klasse sehen, verschaffen sie ihnen immerhin die Möglichkeit, sich im Æther zu tummeln. Wir teilen sie einer Gruppe zu, wodurch sie sich wieder einer sozialen Struktur zugehörig fühlen können.« Er zeigte Richtung Tür. »Michael war einmal ein Polyglotter. Ich glaube, bei euch nennt man sie ›Gaukler‹. Seine Eltern hatten eine solche Angst vor seinen sprachlichen Ausflügen, dass

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