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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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weiß, befindet er sich immer noch in Oriel.«
    Der junge Mann räusperte sich. »Es geht ihm schon etwas besser, Blutsherrscherin. Keine Anzeichen einer Infektion.«
    »Seine Tapferkeit blieb nicht unbemerkt.«
    »Er wird sich geehrt fühlen, wenn er das hört, Blutsherrscherin.«
    Jawohl, Blutsherrscherin. Nein, Blutsherrscherin. Die Rephs liebten es, wenn man ihr Ego streichelte.
    Nashira klatschte einmal in die Hände, woraufhin vier Amaurotiker hereinkamen, jeder mit einer Platte in der Hand, die einen starken Kräuterduft verströmte. Michael war einer von ihnen, doch er wich meinem Blick aus. Geschickt arrangierten sie die Speisen rund um die Glasglocke. Einer füllte unsere Gläser mit gut gekühltem Weißwein. In meiner Kehle bildete sich ein Klumpen. Die Platten waren überladen mit Essen: fein aufgeschnittenes Hühnerfleisch, zart und saftig, mit knuspriger goldener Haut; Füllung mit Salbei und Zwiebeln; cremige, köstlich duftende Soße; Cranberrygelee; gedämpftes Gemüse, Bratkartoffeln und Würstchen im Speckmantel – ein Festessen, das man einem Inquisitor vorsetzen konnte. Sobald Nashira huldvoll nickte, griffen die Knochensammler herzhaft zu. Sie aßen schnell, aber ohne die wilde Gier der halb Verhungerten.
    Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Ich wollte essen. Doch dann musste ich an die Clowns denken, die in ihren Buden nichts außer dünner Brühe und hartem Brot bekamen. Hier drinnen stapelte sich das Essen, und da draußen gab es nichts. Nashira bemerkte meine Zurückhaltung.
    »Iss.«
    Ganz klar ein Befehl. Ich legte ein paar Scheiben Fleisch und etwas Gemüse auf meinen Teller. Carl kippte den Wein runter, als wäre es Wasser. »Vorsicht, 1«, sagte eines der Mädchen, »sonst wird dir wieder schlecht.«
    Die anderen lachten, und auch Carl grinste. »Komm schon, das war nur das eine Mal. Da war ich noch rosa.«
    »Ja, lass 1 zufrieden. Er hat sich den Wein verdient.« 22 versetzte ihm einen freundschaftlichen Knuff gegen die Schulter. »Er ist eben noch ein Neuling. Außerdem hatten wir bei unserem ersten Summer alle so unsere Schwierigkeiten.«
    Zustimmendes Gemurmel. »Ich bin umgekippt«, gab das Mädchen zu, das Carl gerade ermahnt hatte. Welch selbstloser Solidaritätsbeweis. »Also, als ich das erste Mal einen gesehen habe, meine ich.«
    Carl grinste wieder. »Aber bei Geistern bist du spitze, 6.«
    »Danke.«
    Schweigend beobachtete ich diese Kameradschaftlichkeit. Es war zum Kotzen, aber nichts davon war gespielt. Carl gefiel sich nicht nur in der Rolle der Rotjacke, es steckte mehr dahinter: Er gehörte in diese seltsame neue Welt. In gewisser Weise konnte ich das nachvollziehen. So hatte ich mich gefühlt, als ich angefangen hatte, für Jaxon zu arbeiten. Vielleicht hatte Carl im Syndikat ja nie seine Nische gefunden.
    Nashira beobachtete sie ebenfalls. Diese wöchentliche Scharade machte ihr bestimmt Spaß. Dumme, indoktrinierte Menschen, die sich über die Qualen kaputtlachten, denen sie sie unterzog – alle unter ihrer Fuchtel, vollgestopft mit ihrem Essen. Welch ein Machtgefühl das sein musste.
    »Du bist noch rosa.« Eine schrille Stimme riss mich aus meinen Überlegungen. »Hast du denn schon mal gegen einen Summer gekämpft?«
    Ich blickte hoch. Alle starrten mich an.
    »Letzte Nacht«, sagte ich.
    »Du bist mir noch nie aufgefallen.« 22 zog die buschigen Augenbrauen hoch. »In wessen Bataillon kämpfst du?«
    »Ich gehöre keinem Batallion an.« Langsam bekam ich Spaß an der Sache.
    »Musst du aber«, meldete sich ein anderer Junge zu Wort. »Du bist rosa. Welche Menschen leben denn noch bei dir in der Residenz? Und wer ist dein Hüter?«
    »Mein Hüter hat nur einen Menschen.« Ich warf 22 ein flüchtiges Lächeln zu. »Vielleicht seid ihr ihm schon mal über den Weg gelaufen. Er ist der Blutsgefährte.«
    Das Schweigen schien sich stundenlang hinzuziehen. Ich nippte an meinem Wein. Der ungewohnte Alkohol fühlte sich scharf auf meiner Zunge an.
    »Der Blutsgefährte hat mit 40 einen überaus würdigen Menschen bei sich aufgenommen«, sagte Nashira schließlich mit einem leisen Lachen. Es klang beunruhigend, als hätte jemand bei einer Glocke den falschen Ton angeschlagen. »Ihr ist es gelungen, den Summer ganz allein zu bekämpfen, ohne ihren Hüter.«
    Noch mehr Schweigen. Wahrscheinlich war bisher noch keiner von ihnen ohne eine Reph-Eskorte in den Wäldern gewesen, geschweige denn, dass sie ohne Beistand gegen einen Summer gekämpft hätten. 30 sprach

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