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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Schlafhändler.«
    Jax hatte schon immer gesagt, dass es sie geben müsse. Oneiromanten. Er hatte sie vor einigen Jahren kategorisiert, lange nach den Vorzügen , aber nie einen gefunden, der seine Theorie bestätigt hätte: Einen Seher, der Traumlandschaften durchqueren, Erinnerungen herausfiltern und sie zu dem verknüpfen konnte, was Amaurotiker als Traum bezeichneten. »Du hast mir diese Träume geschickt.« Ich holte tief Luft. »Seit ich hier bin, tauchen ständig Erinnerungen auf: wie ich zur Traumwandlerin wurde, wie Jaxon mich gefunden hat – das warst du . Du hast dafür gesorgt, dass ich davon träume. Deshalb hast du es gewusst, richtig?«
    Er hielt meinem Blick stand.
    »Deshalb die dritte Tablette«, sagte er schließlich. »Sie enthielt ein Kraut namens Salvia, das dafür gesorgt hat, dass du diese Erinnerungen träumst. Es hilft mir dabei, mit dem Æther in Kontakt zu kommen. Sozusagen als mein Numen, nur dass es durch deine Adern fließt. Nachdem du ein paar dieser Tabletten genommen hattest, hatte ich freien Zugang zu deinen Erinnerungen.«
    »Du hast mich also unter Drogen gesetzt, um in mein Bewusstsein einzudringen«, presste ich mühsam hervor.
    »Ja. Genauso wie du für Jaxon Hall Traumlandschaften überwacht hast.«
    »Das ist etwas anderes. Ich saß dabei nicht gemütlich am Kamin und habe mir Erinnerungen angesehen wie … wie irgendeinen Film.« Langsam wich ich vor ihm zurück. »Diese Erinnerungen gehören mir. Sie sind privat. Du hast sogar gesehen, wie … du musst einfach alles gesehen haben! Auch wie ich mich gefühlt habe, als … was ich für … «
    »Was du für Nick empfunden hast. Du hast ihn geliebt.«
    »Halt den Mund. Halt verdammt noch mal deinen Mund!«
    Er gehorchte.
    Meine Traumgestalt löste sich langsam auf. Bevor ich selbst den Weg nach draußen suchen konnte, wurde ich aus der Traumlandschaft geweht wie ein Blatt im Wind. Als ich in meinem Körper wieder aufwachte, schubste ich den Wächter brutal von mir weg.
    »Fass mich bloß nicht an.«
    Mein Herz raste. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, ertrug seine bloße Anwesenheit nicht. Als ich aufstehen wollte, zog der Zugang an meiner Hand. Ich hing immer noch am Tropf.
    »Es tut mir leid«, sagte er.
    Flammende Röte breitete sich auf meinen Wangen aus. Da hatte ich ihm einen winzigen , wirklich minimalen Vertrauensvorschuss gegeben, und er hatte sich einfach alles unter den Nagel gerissen: die Erinnerungen aus sieben Jahren. Er hatte sich Finn genommen. Und Nick.
    Abwartend blieb er sitzen. Vielleicht rechnete er damit, dass ich noch etwas sagen würde. Am liebsten hätte ich ihn angebrüllt, bis ich heiser wäre, aber ich konnte nicht. Er sollte einfach nur verschwinden. Als ich stumm sitzen blieb, schloss er die Bettvorhänge und sperrte mich so in einen finsteren, kleinen Käfig ein.

Kapitel Dreiundzwanzig
    V ERGANGENES
    Stundenlang lag ich wach und hörte, wie er an seinem Tisch saß und schrieb, nur durch die Bettvorhänge von mir getrennt.
    Augen und Nase brannten und meine Kehle war völlig verkrampft. Zum ersten Mal seit Jahren wünschte ich mir, mein Leben würde sich in Luft auflösen. Alles sollte wieder ganz normal sein, wie damals, als ich noch klein war, bevor der Æther mich zerfetzt hatte.
    Ich starrte zum Betthimmel hinauf. Ganz egal, wie sehr ich es mir manchmal wünschte, normal gab es nicht. Und hatte es auch nie gegeben. »Normal« und »natürlich« waren die größten Täuschungen, die wir je erschaffen hatten – wir Menschen mit unseren kleinen Gehirnen. Und vielleicht würde Normalität auch gar nicht zu mir passen.
    Erst als er das Grammophon einschaltete, wurde ich langsam schläfrig. Lange hatte ich mich nicht in seiner Traumlandschaft aufgehalten, aber es war ohne lebenserhaltende Maschinen passiert. Fast unmerklich glitt ich in den Schlaf. Die rauen Stimmen verschmolzen miteinander.
    Offenbar schlief ich eine ganze Weile, denn als ich aufwachte, war der Tropf verschwunden. Wo vorhin noch der Zugang gewesen war, klebte nun ein kleines Pflaster.
    *
    Die Tagesglocke schlug. Sheol I ruhte tagsüber, aber es sah nicht so aus, als wäre mir noch Schlaf vergönnt. Es blieb also nichts anderes übrig, als aufzustehen und mich ihm zu stellen.
    Mein Hass auf ihn war so groß, dass er mir fast schon körperliche Schmerzen bereitete. Am liebsten hätte ich den Spiegel zerschlagen, nur um zu spüren, wie das Glas unter meinen Knöcheln zersprang. Ich hätte niemals diese verdammten Pillen

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