The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
mir dein Blut gegeben, wodurch ich mich nicht mit dem Semitrieb infiziert habe. Und als Nashira dich an ihre Tafel einlud, hast du mich beschützt. Hättest du ihr die Wahrheit gesagt, wäre ich exekutiert worden. Ich habe viele Fleischverbrechen begangen, die mit der Todesstrafe geahndet werden.«
Ich hatte zwar keine Ahnung, was ein »Fleischverbrechen« war, fragte aber auch nicht nach. »Und jetzt hast du meins gerettet«, stellte ich fest.
»Ich habe dir schon bei mehreren Gelegenheiten das Leben gerettet.«
»Wann denn?«
»Diese Information würde ich lieber nicht preisgeben. Aber glaub mir: Dein Leben lag mehr als dreimal in meiner Hand. Was bedeutet, dass du und ich nicht länger nur Hüter und Schülerin oder Meister und Sklavin sind.«
Ich merkte, wie ich den Kopf schüttelte. »Was?«
Er stützte sich mit einem Arm auf dem Kaminsims ab. »Der Æther hat uns beide mit seinem Zeichen versehen. Er hat unsere Tendenz, einander zu schützen, anerkannt, sodass wir nun dazu verpflichtet sind, uns immer beizustehen. Wir sind durch ein goldenes Band aneinandergekettet.«
Er klang so pathetisch, dass ich am liebsten gelacht hätte, aber gleichzeitig spürte ich, dass er das ernst meinte. Rephaim machten keine Scherze. »Goldenes Band.«
»Ja.«
»Hat das irgendwas mit dem silbernen Band zu tun?«
»Natürlich, daran hatte ich gar nicht gedacht. Vermutlich besteht da ein Zusammenhang, ja. Doch ein silbernes Band ist etwas ganz Persönliches, bei jedem Individuum einzigartig. Ein goldenes Band bildet sich zwischen zwei Geistern.«
» Was zum Teufel ist es?«
»Das weiß ich selbst nicht genau.« Er schüttete aus einer Phiole eine dunkle Flüssigkeit in sein Glas. »Soweit ich es verstanden habe, ist das goldene Band eine Art siebter Sinn, der entsteht, wenn zwei Geister einander mindestens dreimal vor dem ersten Tod bewahren.« Er trank einen Schluck. »Du und ich werden uns jetzt stets des anderen bewusst sein. Wo auch immer du auf der Welt bist, ich werde dich finden können. Durch den Æther.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Auf ewig.«
Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis ich die Bedeutung seiner Worte begriff. »Nein«, protestierte ich. »Nein, das ist … das ist unmöglich.« Als er seelenruhig an seinem Amaranttrunk nippte, wurde ich lauter. »Beweise es. Beweise, dass dieses ›goldene Band‹ existiert.«
»Wenn du darauf bestehst.« Der Wächter stellte das Glas auf dem Kaminsims ab. »Stellen wir uns für einen Moment vor, wir wären wieder in London. Es ist Nacht, wir befinden uns auf der Brücke. Aber diesmal bin ich derjenige, der angeschossen wurde. Und ich rufe dich zur Hilfe.«
Ich wartete ab. »Das ist doch … «, setzte ich an, aber dann verstummte ich, weil ich etwas spürte. Ein leises Summen, das meinen gesamten Körper erfasste. Eine winzige Vibration, die mir Gänsehaut verursachte. Zwei Worte formten sich in meinem Kopf: Brücke, Hilfe .
»Brücke, Hilfe«, wiederholte ich schwach. »Nein.«
Das war zu viel. Ich drehte mich zum Feuer. Jetzt hatte er seine ganz persönliche spirituelle Dienstbotenklingel, um mich zu sich zu zitieren. Nach einer Weile verwandelte sich der Schock in Wut. Ich wollte seine kostbaren Phiolen zertrümmern, ihm ins Gesicht schlagen – alles , nur nicht irgendeine Verbindung zu ihm haben. Wenn er mich im Æther aufspüren konnte, würde ich ihn niemals loswerden.
Und ich hatte selbst Schuld. Es war allein meine Schuld, weil ich ihn gerettet hatte.
»Ich weiß nicht, welche Auswirkungen es sonst noch auf uns haben wird«, fuhr der Wächter fort. »Eventuell wirst du dazu in der Lage sein, Kraft aus mir zu ziehen.«
»Ich will deine Kraft nicht. Mach einfach, dass es verschwindet. Zerstöre es.«
»Es braucht mehr als ein paar Worte, um die Bindungen des Æthers zu zerbrechen.«
»Du wusstest, wie du mich mit seiner Hilfe rufen kannst.« Meine Stimme zitterte leicht. »Dann musst du auch wissen, wie du es durchtrennen kannst.«
»Das Band ist ein großes Rätsel, Paige. Ich weiß es nicht.«
»Das hast du mit Absicht gemacht.« Angewidert schob ich mich ein Stück von ihm weg. »Du hast mir das Leben gerettet, damit dieses Band entsteht. Stimmt’s?«
»Wie hätte ich so etwas herbeiführen können, ohne zu wissen, ob du jemals auch nur daran denken würdest, im Gegenzug mein Leben zu retten? Du verabscheust die Rephaim. Warum solltest du versuchen, einen von ihnen zu retten?«
Eine gute Frage. »Dass ich paranoid bin, dafür
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