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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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kam ein erschreckender Gedanke: Vielleicht war er ein Schnüffler und konnte spirituelle Aktivität riechen. Falls er mich aufspürte, wäre der Tod noch die bessere Alternative.
    Seine Finger streckten sich nach der Schachtel, hinter der ich mich versteckte. Irgendwo in einem anderen Raum explodierte etwas.
    Sofort rannte Thuban auf den Korridor hinaus. Terebell folgte ihm, drehte sich an der Tür aber noch einmal um.
    »Lauf«, sagte sie. »Geh zum Turm.«
    Dann war sie weg.
    Da ich mein Glück nicht überstrapazieren wollte, schnappte ich mir meinen Rucksack und sprang auf das Fensterbrett. Halb fallend kletterte ich an den Efeuranken hinab und zerkratzte mir dabei Arme und Hände.
    Das Blut rauschte durch meine Adern. Jeder Schatten sah aus wie Thuban. Während ich durch einen Kreuzgang zum Haupthof stürmte, versuchte ich, einen klaren Gedanken zu fassen. Terebell hatte mir geholfen. Sie hatte mich versteckt, und so wie es aussah, sogar eine Ablenkung für mich angezettelt. Außerdem hatte sie gewusst, was kommen würde, gewusst, wonach ich suchte, und sie hatte erst nachdem sie mich gesehen hatte anfangen, Englisch zu sprechen. Sie war eine von ihnen, eine Gezeichnete. Ich musste unbedingt mehr über ihre Geschichte herausfinden, sonst würde ich nie begreifen, was hier vorging – aber zuerst musste ich im Tom Tower einbrechen, mir die Sachen schnappen und es zum Wächter zurückschaffen.
    Die Explosion hatte eine Gruppe Knochensammler aufgescheucht, die nun aus dem Portal stürmten, sich aber vom Glockenturm wegbewegten. Im Schatten eines Torbogens blieb ich stehen. Gerade noch rechtzeitig – nun liefen sie in den Kreuzgang, in den ich auch hatte abbiegen wollen. »28, 14, ihr sichert das Meadow-Gebäude«, rief einer von ihnen. »6, du kommst mit mir. Der Rest überprüft die Innenhöfe. Holt Kraz und Mirzam.«
    Mir blieb nicht viel Zeit. Hastig rannte ich in Richtung des Haupthofes.
    Das Haus war riesig, die einzelnen Flügel wurden durch zum Teil überdachte, zum Teil offene Wandelgänge miteinander verbunden. Wie eine Ratte im Labyrinth. Ich traute mich nicht anzuhalten, also zog ich im Laufen den Gurt des Rucksacks um meinen Oberkörper. Es musste eine Möglichkeit geben, in den Tom Tower hineinzukommen. Befand sich am Haupteingang vielleicht eine Tür? Ich musste schnell sein: Kraz und Mirzam waren Reph-Namen. Und von vier Rephs, von denen mindestens drei gegen mich waren, durch das Haus gejagt zu werden, war so ziemlich das Letzte, was ich gebrauchen konnte. Bestimmt hatte der Wächter nicht sehr viele Freunde wie Terebell.
    Als ich den Hof erreichte, blieb ich kurz stehen. Er war riesig, mit einem ausladenden Zierteich in der Mitte. In dem Becken ragte eine Statue auf. Nun hatte ich keine Wahl mehr, ich musste meine Deckung verlassen. Jetzt war Tempo wichtiger als Schutz.
    Ich sprintete über den Rasen. Unter meinen Rippen begann es zu stechen. Als ich den Teich erreichte, watete ich durch das flache Wasser und duckte mich hinter der Brunnenstatue. Dabei bückte ich mich so tief, dass ich bis zur Taille im Wasser hockte. Als ich den Kopf hob, zuckte ich zusammen. Nashira blickte mir entgegen. Nashira in Stein gemeißelt.
    Auf dem Hof war niemand zu sehen. Ich spürte zwar eine Aura, aber die war zu weit weg, um eine ernste Bedrohung darzustellen. Mit einem Sprung verließ ich den Teich und rannte auf den Glockenturm zu. Sofort fiel mir der kleine Durchgang auf. Er musste zur Glocke hinaufführen. Mit einem Stoßgebet, dass keine Rephs auftauchen würden, hastete ich die Stufen hinauf – der Gang war so eng, dass ich keine Chance gehabt hätte. Als ich oben angekommen war, sah ich mich überwältigt um.
    Das war die reinste Schatzkammer. Auf Hunderten von Regalbrettern standen Glasbehälter, in denen sich das Sonnenlicht brach. Irgendwie musste ich an Bonbons denken: strahlende, glänzende Farben, funkelnd wie Sterne. Es gab schillernde Flüssigkeiten, leuchtend bunte Pülverchen, exotische, eingelegte Pflanzen – alles wunderschön und fremdartig. Die unterschiedlichsten Gerüche durchzogen den Raum, einige scharf, andere modrig, manche süß und duftend. Hastig suchte ich nach Medikamenten. Die meisten Flaschen waren mit dem Symbol von Scion und einer englischen Aufschrift gekennzeichnet, aber auf anderen prangten seltsame Zeichen. Es gab auch Numa, die wahrscheinlich irgendwann einmal konfisziert worden waren. Ich entdeckte einen Seherstein, verschiedene sortes – und ein einzelnes Päckchen

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