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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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wusste ich nicht, ob ich so etwas tun konnte. Ob ich jemandem das Leben nehmen konnte. Doch dann ließ Kraz die Hände sinken, und ein Blick in sein Gesicht verriet mir, dass er nicht mehr zu retten war.
    Ohne mit der Wimper zu zucken, drückte ich ab.

Kapitel Vierundzwanzig
    D ER T RAUM
    Von meiner Flucht blieben nur verschwommene Bilder in meinem Gedächtnis hängen. Ich rannte über die Dächer, vorbei an der alten Kirche, Richtung Magdalen. Als ich an der Residenz vorbeistürmte, schoss ein Arm aus einem offenen Fenster hervor und zog mich hinein.
    Der Wächter. Er hatte auf mich gewartet. Wortlos schob er mich durch eine Tür, zurück zum östlichen Hof, in einen leeren Korridor. Dann durch den Kreuzgang und die Wendeltreppe hinauf. Ich wagte nicht zu sprechen. Sobald wir im Turm waren, ließ ich mich neben dem Kamin zu Boden sinken. Meine Finger hinterließen auf dem Teppich schwarze Pollenflecken. Sie sahen aus wie Ruß.
    Ohne stehen zu bleiben, verschloss der Wächter die Tür, stellte das Grammophon ab und zog sämtliche Vorhänge zu. Ein paar Minuten lang spähte er durch einen Spalt aus dem Fenster an der Ostseite und behielt die Straße im Auge. Ich ließ den Rucksack fallen. Die Riemen hatten sich tief in meine Schultern gegraben.
    »Ich habe ihn getötet.«
    Kurzer Blick zu mir. »Wen?«
    »Kraz. Ich habe ihn erschossen.« Ich zitterte am ganzen Körper. »Ich habe einen Sargas getötet … dafür wird sie mich umbringen. Du wirst mich umbringen … «
    »Nein.«
    »Verdammt, warum nicht?«
    »Der Tod eines Sargas stellt für mich keinen Verlust dar.« Er wandte sich wieder zum Fenster. »Du scheinst ziemlich sicher zu sein, dass er tot ist.«
    »Natürlich ist er tot. Ich habe ihm mitten ins Gesicht geschossen.«
    »Kugeln können uns nicht töten. Du musst also die Pollen benutzt haben.«
    »Ja.« Ich versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen. »Ja, habe ich.«
    Lange Zeit sagte er nichts. Umgeben von den Beweisen meiner Tat saß ich da und atmete hektisch. »Wenn ein Sargas von einem Menschen getötet wurde«, erklärte der Wächter schließlich, »wird Nashira um jeden Preis verhindern wollen, dass diese Tatsache in der Stadt bekannt wird. Unsere Unsterblichkeit darf nicht in Zweifel gezogen werden.«
    »Dann seid ihr also gar nicht wirklich unsterblich?«
    »Wir sind nicht unzerstörbar.« Er hockte sich vor mich hin und blickte mir in die Augen. »Hat dich irgendjemand gesehen?«
    »Nein. Warte, doch … Terebell.«
    »Terebell wird dein Geheimnis wahren. Wenn sie wirklich die Einzige war, haben wir nichts zu befürchten.«
    »Thuban war auch da. Es gab eine Explosion.« Fragend sah ich ihn an. »Weißt du irgendetwas darüber?«
    »Ich habe gespürt, dass du in Gefahr warst. Und ich hatte jemanden im Haus postiert. Sie haben ein Ablenkungsmanöver durchgeführt. Nashira wird lediglich erfahren, dass eine brennende Kerze zu nah an einem Gasleck stand.«
    Diese Neuigkeiten trugen nicht sonderlich dazu bei, dass ich mich beruhigte. Jetzt hatte ich schon drei Leben auf dem Gewissen, nicht mitgerechnte diejenigen, die ich nicht hatte retten können.
    »Du blutest.«
    Durch die Tür warf ich einen Blick in den Badezimmerspiegel. Eine Schnittwunde zog sich über meine Wange, gerade tief genug, dass Blut hervorquoll. »Stimmt«, stellte ich fest.
    »Er hat dich verletzt.«
    »Das war nur eine Glasscherbe.« Vorsichtig betastete ich den brennenden Riss. »Wirst du dich erkundigen, was passiert ist?«
    Ohne den Blick von meiner Wange zu lösen, nickte er. Der Ausdruck in seinen Augen überraschte mich: Dunkelheit und Anspannung. Er war mit den Gedanken woanders. Er wich meinem Blick aus, die Wunde schien ihn zu fesseln.
    »Wenn wir es nicht behandeln, wird eine Narbe zurückbleiben.« Seine behandschuhten Finger hielten mein Kinn. »Ich bringe dir etwas, um den Schnitt zu reinigen.«
    »Und dann erkundigst du dich nach Kraz.«
    »Ja.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke. Stirnrunzelnd setzte ich zu einer Frage an.
    Dann stellte ich sie doch nicht.
    »Ich komme so schnell wie möglich zurück.« Er stand auf. »Es wäre ratsam, wenn du dich in der Zwischenzeit wäschst. Dort drin findest du Kleidung.«
    Er zeigte auf den Schrank. Ein Blick auf meine Uniform zeigte, dass die Weste über und über mit Pollen beschmiert war: eindeutige Beweise meines Vergehens. »Stimmt.«
    »Und halte die Wunde sauber.«
    Bevor ich antworten konnte, war er schon weg.
    Ich stand auf und

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