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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Gespräch zu verlieren. Er ging zu seinem Schreibtisch und holte einen Metallzylinder aus einer Schublade – so klein, dass er in jede Jackentasche passen würde. An der Seite war in roten Buchstaben der Schriftzug SCIONAID aufgedruckt. Dann fischte er drei selbstklebende Wundverschlussstreifen aus dem Röhrchen. Ich verharrte reglos, als er sie aufklebte.
    »Tut das weh?«
    »Nein.«
    Nachdem er die Hand zurückgezogen hatte, betastete ich die Klebestreifen. »Im Haus habe ich eine Landkarte entdeckt«, wechselte ich abrupt das Thema. »Ich weiß, dass es in Port Meadow eine Bahnstation gibt. Jetzt muss ich nur noch wissen, wo sich der Tunneleingang befindet.«
    »Und wozu musst du das wissen?«
    »Weil ich hier weg will. Und zwar bevor Nashira mich umbringt.«
    »Verstehe.« Der Wächter wechselte den Platz und setzte sich in seinen Sessel. »Und du nimmst an, dass ich dich gehen lasse.«
    »Ja, das nehme ich an.« Demonstrativ streckte ich ihm die Schnupftabakdose entgegen. »Ansonsten kannst du getrost annehmen , dass dieses Ding bei Nashira landen wird.«
    Das Symbol auf dem Deckel glänzte im Licht. Seine Finger tippten auf die Armlehne. Er versuchte nicht einmal zu verhandeln, stattdessen musterte er mich mit flackerndem Blick. »Du kannst nicht die Bahn nehmen«, sagte er schließlich.
    »Und ob ich das kann.«
    »Du hast mich missverstanden. Die Züge können nur vom Archonitat in Westminster aus gesteuert werden. Sie sind so programmiert, dass sie an ganz bestimmten Tagen zu festgelegten Uhrzeiten fahren. Dieser Zeitplan kann nicht geändert werden.«
    »Aber sie müssen doch Lebensmittel herbringen.«
    »Die Bahn wird nur für Menschentransporte eingesetzt. Die Nahrungsmittellieferungen erfolgen per Boten.«
    »Dann kommt der nächste Zug also … «, ich schloss frustriert die Augen, »… erst zur nächsten Knochenernte.« Im Jahr 2069. Der Traum von einer mühelosen Flucht zerplatzte wie eine Seifenblase. Ich würde doch durch das Minenfeld gehen müssen.
    »Von einer Flucht zu Fuß rate ich dir dringend ab«, sagte der Wächter, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Die Wälder sind das Jagdrevier der Emim. Selbst mit deiner Gabe überlebst du dort nicht lange. Nicht, wenn du es mit einem ganzen Rudel zu tun bekommst.«
    »Ich kann nicht so lange warten.« Krampfhaft umklammerte ich die Lehne des Sofas. »Ich muss hier weg. Du weißt doch, dass sie mich sonst umbringt.«
    »Selbstverständlich tut sie das. Jetzt, wo deine Gabe ausgereift ist, lechzt sie geradezu danach. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie zuschlägt.«
    Überrascht blickte ich hoch. »Ausgereift?«
    »In der Zitadelle hast du 12 in Besitz genommen. Ich habe es gesehen. Sie hat nur darauf gewartet, dass du dein volles Potenzial erreichst.«
    »Hast du es ihr gesagt?«
    »Sie wird es früh genug erfahren, allerdings nicht von mir. Was in diesem Raum gesagt wird, bleibt auch in diesem Raum.«
    »Warum?«
    »Sieh es als Auftakt zu gegenseitigem Vertrauen.«
    »Du hast meine Erinnerungen durchwühlt. Warum sollte ich dir vertrauen?«
    »Habe ich dir denn nicht meine Traumlandschaft gezeigt?«
    »Doch. Deine kalte, verwaiste Traumlandschaft. Du bist also nichts als eine leere Hülle, oder etwa nicht?«
    Abrupt stand er auf, ging zu einem Bücherregal und zog einen dicken, alten Wälzer heraus. Ich verkrampfte mich. Bevor ich noch etwas sagen konnte, entfernte er ein dünnes Heftchen aus dem Buch und schleuderte es auf den Beistelltisch. Mein Blick saugte sich daran fest. Über die Vorzüge der Widernatürlichkeit. Mein Exemplar. Gespickt mit Fakten über das Syndikat. Er hatte es die ganze Zeit gehabt.
    »Meine Traumlandschaft mag ja die Spuren ihres ehemaligen Lebens vermissen lassen, aber zumindest teile ich mein Umfeld nicht in Kategorien ein, wie der Autor dieses Pamphlets es tut. Dort steht nichts über Oneiromanten, nichts über Rephaim. Ich sehe die Dinge nicht in einem solchen Licht.« Er sah mich durchdringend an. »Wir leben nun seit einigen Monaten zusammen. Ich kenne deine Geschichte, auch wenn ich mir dieses Wissen gegen deinen Willen angeeignet habe. Dadurch wollte ich nicht in deine Privatsphäre eindringen, sondern herausfinden, wie du bist. Ich wollte dich kennenlernen . Denn ich wollte dich nicht wie irgendeinen beliebigen Menschen behandeln, wie ein unterlegenes, wertloses Wesen.«
    Damit hatte ich nicht gerechnet. »Und warum nicht?«, erwiderte ich, ohne den Blick von seinen Augen zu lösen. »Warum ist dir das

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