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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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wichtig?«
    »Das geht allein mich etwas an.«
    Ich griff nach den Vorzügen und drückte sie an meine Brust wie ein Kind sein liebstes Spielzeug. Es fühlte sich an, als hätte ich dadurch Jaxons Leben gerettet. Der Wächter beobachtete mich aufmerksam.
    »Dieser Denkerfürst liegt dir wirklich am Herzen«, stellte er fest. »Du möchtest zu diesem Leben zurückkehren, zum Syndikat.«
    »In Jaxon steckt mehr als nur dieses Flugblatt.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Er ließ sich wieder auf dem Sofa nieder, sodass er neben mir saß. Ein paar Minuten lang sagte keiner von uns etwas. Mensch und Rephait, so unterschiedlich wie Tag und Nacht, gefangen in unserer ganz eigenen Glasglocke, genau wie die tote Blume. Schließlich griff er nach der Schnupftabakdose und holte eine kleine Phiole mit Amarant daraus hervor. »Du fühlst dich verlassen.« Er schüttete die Flüssigkeit in einen Trinkkelch. »Das spüre ich, deine Einsamkeit.«
    »Ich bin allein.«
    »Du vermisst Nick.«
    »Er ist mein bester Freund, natürlich vermisse ich ihn.«
    »Er war mehr als das. Deine Erinnerungen an ihn sind außerordentlich detailliert – voller Farbe, voller Leben. Du hast ihn bewundert.«
    »Ich war jung«, versetzte ich knapp. Offenbar legte er es darauf an, in meiner größten Schwachstelle herumzubohren.
    »Du bist immer noch jung.« Er konnte es einfach nicht lassen. »Ich habe nicht all deine Erinnerungen gesehen. Irgendetwas fehlt.«
    »Es bringt nichts, die Dinge wieder und wieder durchzukauen.«
    »Das sehe ich anders.«
    »Jeder hat schlimme Erinnerungen. Warum interessierst du dich für meine?«
    »Erinnerungen sind mein Anker, mein Weg in den Æther. So wie Traumlandschaften deinen Zugang bilden.« Er strich mit einem Finger über meine Stirn. Das Leder seines Handschuhs war weich. »Du hast mich gebeten, meine Traumlandschaft betreten zu dürfen, um mich kennenzulernen. Im Gegenzug bitte ich dich um deine Erinnerungen.«
    Seine Berührung jagte mir einen Schauer über den Rücken, und ich wich zurück. Der Wächter sah mich an, registrierte meine Reaktion und stand auf, um an der Klingelschnur zu ziehen. »Was machst du da?«, fragte ich schnell.
    »Du musst etwas essen.« Er schaltete das Grammophon ein und starrte auf die Straße hinunter.
    Michael war da, bevor man hätte Speiseaufzug sagen können. Stumm nahm er die Befehle des Wächters entgegen. Zehn Minuten später kehrte er mit einem Tablett zurück, dass er direkt auf meinem Schoß abstellte. Es enthielt alles, damit ich wieder zu Kräften kam: eine Tasse Tee mit viel Milch, eine Zuckerdose, Tomatensuppe und warmes Brot. »Vielen Dank«, sagte ich.
    Er schenkte mir ein flüchtiges Lächeln, dann wandte er sich an den Wächter und formte mit den Händen einige komplizierte Zeichen, die mit einem Nicken zur Kenntnis genommen wurden. Michael verbeugte sich und ging. Der Wächter beobachtete mich scharf, wohl um herauszufinden, ob ich ohne weitere Ermunterung essen würde. Ich nippte zunächst an dem Tee. Als ich noch klein war, hatte meine Großmutter mir immer Tee gemacht, wenn ich mich krank gefühlt hatte – ihr Glaube an die Kräfte von Tee war unerschütterlich gewesen. Dann biss ich in das Brot. Durchleuchtete er mich jetzt, las er meine Emotionen? Konnte er fühlen, wie diese Erinnerung mich beruhigte? Ich versuchte mich mithilfe des goldenen Bandes auf sein Innenleben zu konzentrieren, spürte aber nichts.
    Als ich aufgegessen hatte, nahm er das Tablett und stellte es auf dem Tischchen ab, dann setzte er sich wieder neben mich. Ich räusperte mich. »Was hat Michael gesagt?«
    »Dass Nashira die verbliebenen Sargas in ihre Residenz gerufen hat. Er lauscht ständig«, fügte er leicht belustigt hinzu. »So versorgt er mich mit vielen Informationen aus ihrem Umfeld. Da er ja angeblich ein Amaurotiker ist, nimmt sie gar nicht wahr, wie er kommt und geht.«
    Michael hatte also kein Problem damit, etwas herumzuschnüffeln. Das würde ich mir merken. »Sie wird ihnen das mit Kraz berichten.« Ich drückte die Finger an die Schläfen. »Dabei wollte ich ihn gar nicht töten. Ich wollte nur … «
    »Er hätte dich umgebracht. Kraz pflegte einen unglaublichen Hass auf alle Menschen. Für die Zeit nach unserem öffentlichen Outing plante er, Menschenkinder in unsere Städte zu locken. Er hatte eine Vorliebe für ihre kleinen, feinen Knochen. Für seine Losorakel.«
    Mir drehte sich fast der Magen um. Losorakel benutzten kleine Wurfobjekte, sogenannte sortes , die

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