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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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du vor, Nick?«
    »Ich muss den Kopf freikriegen.« Er klang müde.
    »In einem Casino?«
    »Auf ihm.« Er streckte mir eine Hand hin. »Komm, sötnos . Du siehst aus, als würdest du gleich einschlafen.«
    »Tja, ich wusste ja nicht, dass ich heute meinen Geist und meine Muskeln derart anstrengen würde.« Ich ließ mich von ihm auf das erste Fensterbrett ziehen, was mir den verwunderten Blick eines Mädchens einbrachte, das gerade genüsslich an seiner Zigarette zog. »Wie weit klettern wir?«
    »Bis zum Dach dieses Gebäudes. Falls du das schaffst«, schränkte er ein.
    »Und wenn nicht?«
    »Kein Problem, spring auf.« Er schlang sich meine Arme um den Hals. »Wie lautet die goldene Regel?«
    »Nicht nach unten sehen.«
    »Korrekt«, äffte er Jax’ blasierten Tonfall nach. Ich lachte.
    Wir kamen ohne Zwischenfälle oder Verletzungen oben an. Nick kletterte schon auf Häusern herum, seit er laufen konnte, er fand auch noch Halt, wo es absolut keinen zu geben schien. Bald standen wir wieder über der Welt und hatten die Straßen weit unter uns gelassen. Unter meinen Füßen war Kunstrasen, links von mir befand sich ein kleiner Brunnen ohne Wasser, und rechts ließen in einem Beet einige Blumen die Köpfe hängen. »Wo sind wir hier?«
    »In einem Dachgarten. Den habe ich vor einigen Wochen entdeckt. Da ich nie jemanden hier gesehen habe, dachte ich, ich mache ihn zu meinem neuen Unterschlupf.« Nick stütze sich auf die Brüstung. »Tut mir leid, dass ich dich einfach mitgeschleift habe, sötnos . Aber in Seven Dials kriege ich manchmal einfach keine Luft mehr.«
    »Wem sagst du das?«
    Wir verloren kein Wort mehr über das, was gerade passiert war. Nick war von Jaxons Vorgehensweise oft frustriert. Jetzt warf er mir einen Müsliriegel zu. Gemeinsam blickten wir auf den dunkelrosa Horizont, als würden wir nach Schiffen Ausschau halten.
    »Paige«, sagte Nick schließlich. »Warst du schon einmal verliebt?«
    Meine Hände fingen an zu zittern. Ich konnte kaum noch schlucken, weil mein Hals plötzlich zuzuschwellen schien.
    »Glaube schon.« Kalte Schauer jagten über meine Haut. Ich lehnte mich mit dem Rücken an das Geländer. »Ich meine … vielleicht. Warum fragst du?«
    »Weil ich gerne wissen würde, wie das so ist. Damit ich herausfinden kann, ob ich verliebt bin oder nicht.«
    Um äußerlich möglichst ruhig zu wirken, nickte ich nur. In Wirklichkeit machte mein Körper gerade seltsame Dinge: Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen, mein Kopf fühlte sich fast schwerelos an, meine Handflächen waren feucht und mein Herz pochte hart gegen die Rippen. »Erzähl«, sagte ich.
    Sein Blick ruhte noch immer auf der untergehenden Sonne. »Wenn man sich in jemanden verliebt«, begann er, »möchte man denjenigen dann immer beschützen?«
    Dieses Gespräch war seltsam, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen war ich in Nick verliebt. Das war mir schon vor langer Zeit klar geworden, auch wenn ich diesbezüglich nie etwas unternommen hatte. Und zweitens war Nick siebenundzwanzig, ich knapp achtzehn. Es kam mir vor, als wären unsere natürlichen Rollen plötzlich vertauscht worden. »Ja.« Ich sah nach unten. »Zumindest glaube ich das. Ich wollte … ich will ihn schon beschützen.«
    »Und will man denjenigen dann ohne jeden Grund … berühren?«
    »Ständig«, gab ich ein wenig verlegen zu. »Beziehungsweise … eigentlich will ich, dass er mich berührt. Und sei es nur, um … «
    »… dich in den Arm zu nehmen.«
    Ohne ihn anzusehen, nickte ich.
    »Weil ich das Gefühl habe, denjenigen durch und durch zu verstehen, und ich will, dass er glücklich ist. Aber ich weiß nicht, wie ich ihn glücklich machen kann. Und eigentlich ist mir klar, dass ich ihn allein dadurch, dass ich ihn liebe, schrecklich unglücklich mache.« Er runzelte so angestrengt die Stirn, dass sie sich auffaltete wie eine Buchseite. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich es riskieren kann, es demjenigen überhaupt zu sagen, weil ich genau weiß, wie viel Leid daraus entstehen würde. Zumindest glaube ich, es zu wissen. Ist das wichtig, Paige? Glücklich zu sein?«
    »Wie kannst du nur denken, es sei nicht wichtig?«
    »Weil ich mich frage, ob Ehrlichkeit nicht vor Glück kommt. Opfern wir die Ehrlichkeit, um glücklich zu sein?«
    »Manchmal. Aber grundsätzlich ist es schon besser, ehrlich zu sein, finde ich. Sonst lebt man eine Lüge.« Ich wog jedes Wort genau ab, wollte ihn dazu bringen, es mir zu sagen, und versuchte gleichzeitig, das

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