The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
schrille Dröhnen in meinem Kopf zu ignorieren.
»Weil man demjenigen vertrauen muss.«
»Genau.« Meine Augen brannten. Ich versuchte, tief durchzuatmen, aber die schreckliche Wahrheit drang langsam in mein Bewusstsein. Nick redete nicht von mir.
Natürlich hatte er nie auch nur angedeutet, dass er ebenso empfand wie ich. Mit keinem einzigen Wort. Aber was war mit all den zufälligen Berührungen, den vielen Stunden, die er mit mir verbracht hatte, und unseren gemeinsamen Läufen? Mit den letzten zwei Jahren meines Lebens, in denen ich fast jeden Tag und jede Nacht in seiner Nähe gewesen war?
Nick schaute zum Himmel hinauf.
»Hey, sieh mal«, sagte er.
»Was?«
Er zeigte auf einen Stern. »Arcturus. Ich habe noch nie gesehen, dass er so hell leuchtet.«
Der Stern hing groß und funkelnd am Firmament und strahlte in orangefarbenem Licht. Plötzlich kam ich mir so klein vor, als wäre ich gar nicht da. »Also«, fragte ich möglichst beiläufig, »wer ist es? An wen glaubst du, dein Herz verloren zu haben?«
Nick stützte das Kinn in die Hand.
»Zeke.«
Zuerst glaubte ich, mich verhört zu haben. »Zeke?« Ich drehte mich zu ihm um. »Zeke Sáenz?«
Er nickte. »Meinst du, es ist hoffnungslos?«, fragte er leise. »Dass er mich lieben könnte?«
Mein Gesicht wurde ganz taub.
»Du hast nie irgendwas gesagt«, presste ich hervor. Mir schien sich die Brust abzuschnüren. »Ich wusste ja nicht … «
»Konntest du auch nicht.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Es ist einfach so passiert, Paige. Natürlich könnte ich leicht jemand anders finden, aber ich schaffe es nicht mal, mich auf die Suche zu machen. Ich wüsste auch gar nicht, wo ich anfangen sollte. Für mich ist er der wundervollste Mensch auf der Welt. Zuerst dachte ich ja, ich würde mir das nur einbilden, aber jetzt ist er schon seit einem Jahr bei uns«, er schloss die Augen, »und ich kann es nicht länger leugnen. Ich empfinde wirklich etwas für ihn.«
Und nicht für mich. Schweigend stand ich da und fühlte mich, als würde mir jemand Betäubungsmittel in jede verfügbare Ader pumpen. Nicht ich war diejenige, die er liebte.
»Ich glaube, ich könnte ihm helfen«, fuhr er mit aufrichtiger Leidenschaft in der Stimme fort. »Könnte ihm beistehen, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Ihn unterstützen, sich zu erinnern. Er war einmal ein Flüsterer – ich könnte ihm dabei helfen, die Stimmen wieder zu hören.«
Ich wünschte mir, ich könnte Stimmen hören. Geister hören, damit ich ihnen lauschen konnte und nicht diesem hier. Es kostete mich meine gesamte Konzentration, nicht loszuheulen. Ganz egal, was an diesem Abend noch passierte, ich würde – ich durfte nicht heulen. Eher würde ich daran ersticken. Es war Nicks gutes Recht, jemand anders zu lieben. Warum auch nicht? Mit keiner Silbe hatte ich ihm verraten, was ich für ihn empfand. Ich sollte mich für ihn freuen. Aber ein kleiner, geheimer Teil von mir hatte immer gehofft, dass er meine Gefühle erwidern würde. Dass er vielleicht nur den richtigen Moment abwartete, um es mir zu sagen. Einen Moment wie diesen.
»Was konntest du in seiner Traumlandschaft erkennen?« Fragend sah Nick mich an. »War da irgendetwas?«
»Nur Dunkelheit.«
»Vielleicht sollte ich es versuchen. Ich könnte ihm ein Bild senden.« Er lächelte unsicher. »Oder einfach mit ihm reden, wie ein ganz normaler Mensch.«
»Er würde dir bestimmt zuhören«, versicherte ich. »Wenn du es ihm sagst. Und woher willst du denn wissen, dass er nicht das Gleiche fühlt?«
»Ich denke, er hat schon genug Probleme. Außerdem kennst du die Regeln: keinerlei Bindungen. Jaxon würde einen Schlaganfall kriegen, wenn er es erfährt.«
»Vergiss Jaxon. Es ist unfair, dass du das mit dir herumschleppen musst.«
»Das mache ich jetzt schon seit einem Jahr, sötnos . Dann schaffe ich es auch noch länger.«
Wieder krampfte sich meine Kehle zusammen. Natürlich hatte er recht. Jaxon gestattete nicht, dass wir uns auf jemanden einließen. Er mochte keine Beziehungen. Selbst wenn Nick mich geliebt hätte, hätten wir nicht zusammen sein können. Aber nun war der Traum geplatzt, und die harte Realität hatte mich eingeholt, schnürte mir die Luft ab. Dieser Mann gehörte einem anderen. Er hatte mir nie gehört, und ganz egal, wie sehr ich ihn liebte, er würde niemals mir gehören.
»Warum hast du es mir nicht gesagt?« Krampfhaft klammerte ich mich an das Geländer. »Ich meine, klar, es geht mich nichts an,
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