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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Tür. Sobald ich im Tunnel stand, lehnte ich die Tür an und zog den roten Samt über den Spalt, um lauschen zu können. So konnte ich sogar noch den Kamin sehen.
    Die Zimmertür entriegelte sich und wurde geöffnet. Nashira trat in den Lichtschein des Feuers. Offenbar hatte sie einen Schlüssel zum Turm. Der Wächter fiel auf die Knie, vollendete das Ritual jedoch nicht. Die Blutsherrscherin ging zum Bett und strich über die Matratze.
    »Wo ist sie?«
    »Schläft«, antwortete der Wächter.
    »In ihrem eigenen Zimmer?«
    »Ja.«
    »Lügner. Sie schläft hier. Die Laken riechen nach ihr.« Sie packte sein Kinn und krallte ihre nackten Finger hinein. »Möchtest du wirklich diesen Weg beschreiten?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst. Meine Gedanken gelten einzig und allein dir.«
    »Mag sein.« Ihr Griff wurde fester. »Die Ketten hängen noch. Du solltest nicht einen Moment glauben, dass ich zögern würde, dich wieder in das Haus zurückzuschicken. Oder dass die XVIII . Knochenernte sich wiederholen könnte. Und falls doch, werde ich niemanden verschonen. Nicht einmal dich. Diesmal nicht. Hast du mich verstanden?« Als er stumm blieb, verpasste sie ihm eine harte Ohrfeige. Ich zuckte zusammen. »Antworte.«
    »Ich hatte zwanzig Jahre, um über meine Dummheit nachzudenken. Du hattest recht: Menschen kann man nicht trauen.«
    Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Es freut mich, das zu hören.« Ihre Stimme klang nun sanfter. »Alles wird gut werden. Bald haben wir diesen Turm ganz für uns allein. Dann kannst du den Schwur einlösen, den du mir geleistet hast.«
    Sie war ja total irre. Wie konnte sie nahtlos von Ohrfeigen zum Vorspiel übergehen?
    »Darf ich das so verstehen, dass die Zeit von 40 abgelaufen ist?«, fragte der Wächter.
    Stocksteif stand ich da und lauschte.
    »Sie ist bereit. Ich weiß, dass sie in der Zitadelle von 12 Besitz ergriffen hat. Deine Cousine hat es mir berichtet.« Ihr Finger glitt über sein Kinn. »Du hast ihre Gabe gut gefördert.«
    »Nur für dich, meine Blutsherrscherin.« Er blickte zu ihr hoch. »Wirst du sie im Verborgenen vereinnahmen? Oder wirst du ganz Scion deine überwältigende Macht demonstrieren?«
    »Beides wäre zweckdienlich. Endlich werde ich über die Fähigkeiten eines Traumwandlers verfügen. Endlich werde ich die Macht haben, gewaltsam einzudringen und die Kontrolle zu übernehmen. Und das alles dank dir, mein geliebter Arcturus.«
    Sie stellte ein kleines Fläschchen auf den Kaminsims und fuhr in eisigem Tonfall fort: »Bis zur Zweihundertjahrfeier ist das deine letzte Dosis Amarant. Ich denke, du brauchst etwas Zeit, um dich mit deinen Narben auseinanderzusetzen. Und um dich daran zu erinnern, warum du den Blick auf die Zukunft richten solltest und nicht auf die Vergangenheit.«
    »Ich werde erdulden, was auch immer du verlangst.«
    »Lange wird deine Duldsamkeit nicht auf die Probe gestellt werden. Schon bald wird unser Glück sich entfalten.« Damit wandte sie sich ab. »Pass gut auf sie auf, Arcturus.«
    Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.
    Der Wächter erhob sich. Ich war mir nicht sicher, was er nun tun würde. Schließlich schoss seine geballte Faust vor und zertrümmerte die gläserne Urne auf dem Kaminsims. Ich schlich mich in mein Zimmer, legte mich ins Bett und lauschte auf die Stille.
    *
    Er war nicht mein Feind. Zumindest nicht der Feind, für den ich ihn gehalten hatte.
    Sie hatte gesagt, sie würde ihn wieder in das Haus schicken. Das war der Beweis dafür, dass er an dem Aufstand während der XVIII . Knochenernte beteiligt gewesen war. Der Beweis für seinen Verrat. Und das hatte auch Thuban gemeint, als er Terebell gedroht hatte. Sie hatten versucht, uns zu helfen, und waren dafür bestraft worden. Damals hatten sie sich für die falsche Seite entschieden. Die Seite der Verlierer.
    Stundenlang wälzte ich mich ruhelos herum. Das Gespräch der beiden ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Wie sie ihn geschlagen hatte. Wie sie ihn in die Knie gezwungen hatte. Und dass sie plante, mich schon sehr, sehr bald loszuwerden. Ich strampelte meine Decke fort und lag mit offenen Augen im Dunkeln. Es hatte einige Zeit gedauert, bis die Erkenntnis eingesunken war, aber nun begriff ich es. Der Wächter war auf meiner Seite.
    Auch an die Narben auf Terebells Rücken dachte ich. Thuban Sargas hatte eine grausame Anspielung darauf gemacht. Er und seine Familie hatten sie ihr zugefügt. Sie und der Wächter waren die Gezeichneten. Am Tag nach der Novembertide 2039

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