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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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unterbrach sich kurz. »Nächste Regel: Ihr dürft nicht sprechen, bis ein Rephaim euch anspricht. Bestehen hinsichtlich dieser Punkte irgendwelche Unklarheiten?«
    »Ja, allerdings.« Das war der Teeblattleser. Er blickte nicht zu Boden. »Wo sind wir hier?«
    »Das werdet ihr noch erfahren.«
    »Wer zum Teufel gibt Ihnen das Recht, uns zu entführen? Ich war nicht mal als Straßenkünstler unterwegs. Ich habe kein Gesetz gebrochen. Beweisen Sie erst mal, dass ich eine Aura habe! Ich werde jetzt sofort in die Stadt zurückkehren, und Sie werden mich nicht daran … «
    Er verstummte abrupt. Aus seinen Augen quollen zwei einzelne Blutstropfen. Mit einem leisen Geräusch brach er zusammen.
    Die Handleserin begann zu schreien.
    Pleione musterte prüfend den reglosen Körper des Teeblattlesers. Als sie schließlich hochsah, waren ihre Augen blau wie eine Gasflamme. Hastig wich ich ihrem Blick aus.
    »Gibt es weitere Fragen?«
    Ängstlich schlug die Chiromantin die Hand vor den Mund.
    Wir wurden in einen kleinen Raum gescheucht. Feuchte Wände, nasser Boden, dunkel wie in einer Gruft. Pleione schloss uns ein und verschwand.
    Im ersten Moment traute sich niemand, etwas zu sagen. Die Handleserin schluchzte krampfhaft, offenbar stand sie kurz vor einem hysterischen Anfall. Die meisten anderen waren noch zu schwach, um zu sprechen. Ich setzte mich in eine Ecke, um niemandem im Weg zu sein. Unter den Ärmeln meiner Tunika spürte ich immer noch die Gänsehaut.
    »Gehört das hier noch zum Tower?«, fragte ein Augur. »Sieht zumindest aus wie der Tower.«
    »Halt den Mund«, erwiderte jemand. »Halt einfach den Mund.«
    Irgendjemand fing an, zum Zeitgeist zu beten – ausgerechnet. Als würde das irgendwie helfen. Ich stützte das Kinn auf die Knie. Eigentlich wollte ich gar nicht so genau wissen, was sie mit uns vorhatten. Keine Ahnung, wie stark ich sein würde, wenn sie es zum Beispiel mit Waterboarding versuchten. Ich hatte gehört, wie mein Vater darüber gesprochen hatte und dass man dabei immer nur wenige Sekunden lang atmen durfte. Er hatte gemeint, das sei keine Folter, sondern eine Therapie.
    Ein Prophet setzte sich neben mich. Sein Schädel war kahl rasiert, und er hatte ziemlich breite Schultern. Viel konnte ich im Halbdunkel nicht von ihm erkennen, bemerkte aber seine großen, dunklen Augen. Er streckte mir die Hand hin.
    »Julian.«
    Anscheinend war er nicht eingeschüchtert, nur ruhig. »Paige«, erwiderte ich. Es war wohl besser, es nur beim Vornamen zu belassen. Ich räusperte mich. »Welche Parzelle?«
    » IV -6.«
    »I-4.«
    »Das ist doch das Territorium des Weißen Fesselmeisters.« Ich nickte. »Welche Gegend?«
    »Soho«, erklärte ich. Wenn ich Seven Dials erwähnte, würde er sofort wissen, dass ich zu Jaxons engstem Kreis gehörte.
    »Beneidenswert. Ich hätte echt gerne in der Zentralparzelle gelebt.«
    »Warum?«
    »Dort ist das Syndikat stark. In meinem Sektor passiert nicht viel.« Er senkte die Stimme. »Hast du ihnen irgendeinen Grund gegeben, um dich festzunehmen?«
    »Ich habe eine verdeckte Wache getötet.« Meine Kehle brannte wieder. »Und du?«
    »Kleinere Meinungsverschiedenheit mit der Nachtwache. Um es kurz zu machen: Dieser Angehörige der Nachtwache weilt nicht länger unter uns.«
    »Aber du bist doch ein Prophet.« Die meisten Seher hatten nicht sonderlich viel Achtung vor Propheten, die zu den Wahrsagern gehörten. Wie die anderen Wahrsager auch, kommunizierten sie mithilfe von Gegenständen mit den Geistern, bei Propheten war es immer irgendetwas Spiegelndes. Jax hasste Wahrsager geradezu (» Shit sager, Liebes, nenn sie Shitsager«). Und Auguren übrigens auch.
    Julian schien meine Gedanken zu lesen. »Du glaubst nicht, dass Propheten zu einem Mord fähig sein können.«
    »Nicht mithilfe von Geistern. Ihr könnt nicht genug von ihnen an euch binden.«
    »Du kennst dich ja mit Sehern aus.« Er rieb sich über die Arme. »Und du hast recht. Ich habe ihn erschossen. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, mich zu verhaften.«
    Ich antwortete nicht. Kaltes Wasser tropfte von der Decke, landete auf meinen Haaren und lief mir über die Nase. Die meisten anderen Gefangenen verhielten sich still. Ein Junge schaukelte unruhig auf seinen Fußballen vor und zurück.
    »Du hast eine merkwürdige Aura.« Julian sah mich abschätzend an. »Ich komme einfach nicht drauf, was du bist. Eigentlich würde ich ja sagen, ein Orakel, aber … «
    »Aber?«
    »Soweit ich weiß, hat es schon lange

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