Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
Vom Netzwerk:
Erbrochenes. Sobald ich wieder klar sehen konnte, konzentrierte ich mich auf den Æther. Irgendwo in diesem Gefängnis waren noch andere Seher.
    Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Ich lag in einem Einzelbett mit kalten, feuchten Laken. Rechts von mir befand sich ein vergittertes Fenster ohne Glas. Boden und Wände bestanden aus Stein. Ein kalter Luftzug verursachte mir Gänsehaut. Mein Atem bildete Dampfwolken. Fröstelnd zog ich mir das verrutschte Laken um die Schultern. Wer zum Teufel hatte meine Klamotten geklaut?
    In einer Ecke sah ich eine angelehnte Tür, dahinter Licht. Vorsichtig stand ich auf und lotete meine Kraft aus. Als ich sicher war, dass ich nicht umfallen würde, bewegte ich mich auf das Licht zu. Dabei entdeckte ich eine Art primitives Badezimmer, die Lichtquelle entpuppte sich als Kerze. Es gab eine uralte Toilette und einen rostigen Wasserhahn, der ziemlich hoch an der Wand angebracht war. Er war kalt. Als ich ihn aufdrehte, kam mir eisiges Wasser entgegen. Ich versuchte es in der anderen Richtung, aber das Wasser wurde höchstens ein halbes Grad wärmer. Also beschloss ich, einen Körperteil nach dem anderen unter diesen traurigen Abklatsch einer Dusche zu halten. Da es keine Handtücher gab, benutzte ich eines der Bettlaken zum Abtrocknen und wickelte mich in das andere ein. Anschließend ging ich zu der zweiten Tür hinüber, doch sie war abgeschlossen.
    Meine Haut begann zu kribbeln. Ich hatte weder eine Ahnung, wo ich war, noch, warum ich hier war oder was diese Leute mit mir anstellen würden. Niemand wusste, was mit Verhafteten passierte, da keiner von ihnen jemals zurückgekommen war.
    Ich setzte mich wieder aufs Bett und atmete ein paarmal tief durch. Die stundenlange Phantasmagorie hatte mich geschwächt, und ich brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass ich mehr denn je wie eine Leiche aussah.
    Nicht nur die Kälte ließ mich zittern. Ich saß nackt und allein in einem dunklen Raum mit vergitterten Fenstern ohne einen erkennbaren Fluchtweg. Sie hatten mich offenbar in den Tower gebracht. Und mir meinen Rucksack und das Flugblatt abgenommen. Krampfhaft schmiegte ich mich an den Bettpfosten und versuchte so gut es ging, meine Körperwärme zu erhalten. Mein Herz raste und in meiner schmerzenden Kehle bildete sich ein dicker Klumpen.
    Würden sie meinem Vater etwas antun? Er war zwar wertvoll für sie – wie eine Ware – , aber würden sie ihm verzeihen, dass er einer Seherin Unterschlupf gewährt hatte? Das war Hochverrat durch Unterlassung. Nein, er war wichtig. Sie mussten ihn einfach verschonen.
    Irgendwann verlor ich jedes Zeitgefühl und döste benommen vor mich hin. Endlich ging krachend die Tür auf und riss mich aus dem Halbschlaf.
    »Aufstehen.«
    Eine Petroleumlampe schuf einen schwankenden Lichtkreis. Gehalten wurde sie von einer Frau. Sie hatte glatte, nussbraune Haut, die sich über elegant geschwungene Knochen spannte, und überragte mich um einige Zentimeter. Das lockige Haar war lang und schwarz, genau wie ihr Kleid mit der hohen Taille, dessen Ärmel bis auf die Fingerspitzen fielen, die in Handschuhen steckten. Ihr Alter ließ sich unmöglich schätzen, sie hätte ebenso gut fünfundzwanzig wie vierzig sein können. Hastig raffte ich das Laken um mich zusammen und sah ihr wachsam entgegen.
    Drei seltsame Dinge fielen mir an dieser Frau auf: erstens waren ihre Augen gelb. Das war nicht dieser Bernsteinton, der bei gewissem Lichteinfall gelb wirkt. Nein, das war ein richtiges Gelb, fast schon grünlich, und ihre Augen leuchteten.
    Das Zweite war ihre Aura. Sie war eine Seherin, aber ihr Typus war mir noch nie zuvor begegnet. Warum genau das seltsam war, konnte ich mir nicht erklären, aber irgendwie rieben sich meine Sinne an ihr.
    Und der dritte Punkt, der mir wirklich Angst machte, war ihre Traumlandschaft. Sie war genau wie die, die ich in I-4 aufgespürt und die sich einer Identifizierung entzogen hatte. Der Fremde. Mein Instinkt riet mir, sie anzugreifen, aber gleichzeitig wusste ich, dass ich in eine solche Traumlandschaft nicht eindringen konnte, und in meinem jetzigen Zustand erst recht nicht.
    »Ist das hier der Tower?« Meine Stimme klang rau.
    Die Frau ging nicht auf meine Frage ein. Stattdessen hielt sie mir die Lampe vors Gesicht und sah mir prüfend in die Augen. Langsam fragte ich mich, ob das auch noch zur Hirnpest gehörte.
    »Nimm die«, sagte sie.
    Ich musterte die beiden Pillen in ihrer Hand.
    »Nimm

Weitere Kostenlose Bücher