The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
nach Luft schnappend über meine Schulter spähte. Auf Höhe der Lendenwirbel hatte sich ein langer, dünner Pfeil in meine Haut gebohrt.
Flux.
Sie hatten Flux !
Die Droge floss durch meine Adern. Innerhalb von sechs Sekunden hatte sie meinen Blutkreislauf erobert. Ich dachte an zwei Dinge: Erstens, Jax würde mich umbringen, und zweitens, das würde nichts ausmachen – denn ich würde eh sterben. Ich ließ das Dach los.
Dann nichts mehr.
Kapitel Drei
G EFANGEN
Es dauerte eine Ewigkeit. An den Anfang konnte ich mich nicht erinnern, und ein Ende war nicht in Sicht.
Da war Bewegung, ein kehliger Schrei, ich wurde auf einer harten Oberfläche festgeschnallt. Dann ein Nadelstich, gefolgt von überwältigendem Schmerz.
Die Realität verzerrte sich. Dicht bei mir flackerte eine Kerze, aber immer wieder explodierte ihre Flamme, bis sie zu einem wahren Inferno wurde. Ich war in einem Ofen gefangen. Wie Wachs tropfte der Schweiß aus meinen Poren. Ich war das Feuer, brannte lichterloh. Bekam Blasen und verdorrte … dann fror ich, sehnte mich verzweifelt nach Wärme und glaubte zu sterben. Zwischenstufen gab es nicht, nur den nicht enden wollenden, grenzenlosen Schmerz.
AUP Fluxion 14 war in einem Gemeinschaftsprojekt der medizinischen und militärischen Forschungseinheiten von Scion entwickelt worden. Es rief einen lähmenden Effekt hervor, den man als Phantasmagorie bezeichnete. Verbitterte Seher nannten es auch Hirnpest : eine Reihe von Halluzinationen, hervorgerufen durch Verzerrungen der menschlichen Traumlandschaft. Ich kämpfte mich durch eine Vision nach der anderen und schrie, wenn der Schmerz zu stark wurde, um ihn stumm zu ertragen. Falls man eine Definition der Hölle suchte – das war sie. Das war die Hölle.
Tränen verklebten meine Haare, als ich mich übergab, in dem vergeblichen Versuch, das Gift aus meinem Körper zu vertreiben. Es sollte einfach nur aufhören. Schlaf, Bewusstlosigkeit oder Tod, irgendetwas musste mich doch aus diesem Albtraum erlösen können.
»Na, na, Schätzchen, wir wollen doch nicht, dass du uns hier wegstirbst. Wir haben heute schon drei verloren.« Kalte Finger strichen über meine Stirn. Ich wich so hastig zurück, dass sich mein Rücken durchbog. Wenn sie nicht wollten, dass ich starb, warum taten sie mir das dann an?
Tote Blumen flatterten an meinen Augen vorbei. Der Raum wurde zu einer Spirale und drehte sich um sich selbst, bis ich nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Ich biss in mein Kissen, um nicht wieder zu schreien. Als ich Blut schmeckte, erkannte ich, dass ich wohl etwas anderes zerbissen hatte – meine Lippe, meine Zunge, meine Wange, wer konnte das wissen?
Flux verließ den Körper nicht einfach so wieder. Ganz egal, wie oft man sich erbrach oder urinierte, es blieb im Blutkreislauf und wurde von den körpereigenen Zellen reproduziert, so lange, bis man irgendwie das Gegenmittel in die Adern einbrachte. Ich wollte betteln, brachte aber keinen Ton raus. In dicht aufeinanderfolgenden Wellen brach der Schmerz über mich herein, bis ich sicher war, dass ich sterben würde.
Eine neue Stimme ertönte.
»Das reicht, die brauchen wir lebend. Holt das Gegenmittel, sonst werde ich dafür sorgen, dass ihr das Doppelte dessen verpasst bekommt, was sie gekriegt hat.«
Das Gegenmittel! Vielleicht würde ich ja doch weiterleben. Ich versuchte, den wogenden Vorhang aus Trugbildern zu durchdringen, konnte aber nichts sehen außer der Kerze.
Das dauerte zu lange. Wo blieb mein Gegenmittel? Spielte keine Rolle mehr. Ich wollte schlafen. Den ewigen Schlaf.
»Lasst mich gehen«, sagte ich. »Lasst mich raus.«
»Sie spricht. Bringt ihr Wasser.«
Kühles Glas stieß gegen meine Zähne. Ich trank in tiefen, gierigen Zügen. Dann sah ich hoch und versuchte, das Gesicht meines Retters zu erkennen.
»Bitte«, flüsterte ich.
Zwei Augen musterten mich. Dann gingen sie in Flammen auf.
Und endlich fand der Albtraum ein Ende. Ich sank in tiefen, betäubenden Schlaf.
*
Als ich aufwachte, blieb ich reglos liegen.
Ich spürte genug, um mir ungefähr vorstellen zu können, wo ich mich befand: auf dem Bauch liegend auf einer harten Matratze. Meine Kehle war so trocken, als wäre sie verbrannt. Der stechende Schmerz zwang mich, schnell voll zur Besinnung zu kommen, allein schon, um nach Wasser zu suchen. Entsetzt bemerkte ich, dass ich nackt war.
Hastig rollte ich mich auf die Seite und stützte mich auf einen Ellbogen. In meinem Mundwinkel schmeckte ich getrocknetes
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