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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Atemreflex aussetzte, wenn ich das zu lange machte.
    Plötzlich sprang mir etwas ins Auge: ein rechteckiges Kästchen, auf dessen Deckel eine geschnitzte Blüte prangte. Acht Blütenblätter. Ich entriegelte den Deckel und klappte ihn auf. In dem Kasten lagen eng zusammengedrückt vier kleine Phiolen, jede enthielt eine zähe Flüssigkeit, deren Farbe so dunkelrot war, dass sie fast schwarz wirkte. Vorsichtig schloss ich das Kästchen wieder. Ich wollte es nicht wissen.
    Hinter meinen Augen pochte ein dumpfer Schmerz. Ich konnte nirgendwo ein Nachthemd entdecken. Warum ich überhaupt eines erwartet hatte, wusste ich selbst nicht. Ihm war sicher egal, was ich anzog oder ob ich gut schlief. Ihm war nur wichtig, dass ich atmete.
    Ich streifte meine Stiefel ab und legte mich auf das Sofa. Ohne ein Feuer war es eisig im Zimmer, aber an die Decken auf seinem Bett traute ich mich nicht heran. Stattdessen legte ich den Kopf auf die samtige Nackenrolle.
    Durch das Flux war ich immer noch müde und ausgelaugt. Während ich langsam einnickte, bewegte sich mein Geist am Rande des Æthers. Ich streifte fremde Traumlandschaften, schnappte einzelne Erinnerungen auf. Sie alle enthielten Blut und Schmerz. Hier in der Residenz hielten sich mehrere Rephs auf, aber ihr Bewusstsein war immer noch undurchdringlich. Die Menschen waren zugänglicher, ihre Abwehrmechanismen waren von Angst zermürbt. Ihre Traumlandschaften gaben einen rauen, schmutzigen Schein ab – ein Zeichen von inneren Qualen. Irgendwann schlief ich ein.
    Das Knarzen der Bodendielen weckte mich. Als ich die Augen aufschlug, trat der Wächter gerade durch die Tür. Abgesehen von den letzten beiden Kerzen, die noch brannten, waren seine Augen die einzige Lichtquelle. Er kam direkt auf meine Ecke zu. Ich tat so, als würde ich schlafen. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, ging er. Jetzt gab er sich weniger Mühe, leise aufzutreten, sodass ich am Rhythmus seiner Schritte erkannte, dass er humpelte. Die Badezimmertür fiel zu.
    Was könnte ein Wesen wie einen Rephait verletzen?
    Er blieb einige Minuten weg. Ich zählte in der Zwischenzeit meine Herzschläge. Als sich der Türknauf drehte, ließ ich den Kopf wieder auf die Arme fallen. Der Wächter verließ das Bad, splitterfasernackt. Hastig schloss ich die Augen.
    Ich spielte weiter die Schlafende, während er zu seinem Himmelbett ging, wobei er eine Glaskugel vom Nachttisch stieß. Im Æther breiteten sich leichte Schwingungen aus. Der Rephait zog ruckartig die Bettvorhänge zu, sodass er nicht mehr zu sehen war. Erst als auch sein Bewusstsein zur Ruhe kam, öffnete ich die Augen und setzte mich auf. Nichts rührte sich.
    Barfuß schlich ich zum Bett hinüber, schob zwei Finger zwischen die Vorhänge und öffnete sie gerade so weit, dass ich ihn sehen konnte. Er lag auf der Seite, halb zugedeckt, seine Haut schimmerte im Licht der Kerzen. Die Haare bedeckten sein Gesicht. Noch während ich ihn beobachtete, drang plötzlich gedämpftes Licht durch die Bettdecke, ungefähr an der Stelle, wo sein rechter Arm lag.
    Vorsichtig streifte ich seine Traumlandschaft. Irgendetwas hatte sich verändert. Viel erschloss sich mir nicht, aber sie war nicht ganz so, wie sie sein sollte. Jede Traumlandschaft verfügt über eine Art Licht, das nicht mit den Augen wahrgenommen wird, ein inneres Glühen, das von den Sinnen eines amaurotischen Menschen nicht erspürt werden kann. Und in diesem Moment war sein Lebenslicht dabei zu erlöschen.
    Er lag da wie ein Toter. Als ich den Blick auf seine Decke richtete, entdeckte ich gelb-grüne, nasse Flecken, die sanft leuchteten. Ein feiner, metallischer Geruch ging von ihnen aus. Mein sechster Sinn reagierte darauf, als würde ich reinen Æther einatmen. Kurz entschlossen schlug ich die schwere Bettdecke zurück.
    An der Innenseite seines Arms befand sich eine nässende Bisswunde. Ich schluckte. Ich konnte verblassende Zahnabdrücke sehen, wo die Haut in blinder Wut zerfetzt worden war. Aus der Wunde quollen leuchtende Tropfen hervor wie Tränen – Blut.
    Das war sein Blut .
    Sicherlich hatte er den anderen Rephaim gesagt, wo er hinging. Dann hätten sie gewusst, dass er etwas Gefährliches vorhatte. Es war also kaum möglich, dass sie irgendwelche Beweise gegen mich fanden, wenn er jetzt starb.
    Da fiel mir wieder ein, was Liss gesagt hatte: Rephs sind keine Menschen. Ganz egal, wie sehr sie uns äußerlich ähneln, sie sind nicht wie wir.
    So etwas wie Beweise würde sie wahrscheinlich gar

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