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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Bühne.«
    Liss zuckte erschrocken zusammen. Ihre Schultern sackten herab, und sie wandte den Blick ab. »Ich verstehe.«
    »Braver Sklave.«
    Auf dem Weg nach draußen riss er den Vorhang von seiner Stange. Ich half Liss dabei, ihn aufzuheben. Sie zitterte am ganzen Körper.
    »Wer war das?«
    »Suhail Chertan. Unter all der Schminke ist der Oberaufseher kein Strahlemann – wenn wir Fehler machen, muss er sich vor Suhail rechtfertigen.« Mit dem Ärmel tupfte sie sich die Augen ab. »15 ist der Junge, der den Schlafentzug hinter sich hat, Jordan. Er ist unser zweiter Schlangenmensch.«
    Ich nahm ihr den Vorhangstoff ab. An ihrem Ärmel klebte Blut. »Hast du dich geschnitten?«
    »Das ist nichts.«
    »Oh, doch, bestimmt.« Blut war nie »nichts«.
    »Schon okay.« Sie wischte sich das Gesicht ab, wobei sie rote Streifen unter den Augen hinterließ. »Er hat nur ein bisschen von meinem Schimmer genommen.«
    »Er hat was ?«
    »Er hat sich von mir genährt.«
    Ich musste mich verhört haben. »Er hat sich von dir genährt «, wiederholte ich langsam.
    Liss lächelte bitter. »Haben sie etwa nicht erwähnt, dass die Rephs sich von Auren ernähren? Jedes Mal vergessen sie dieses kleine Detail.«
    Beim Anblick der Blutflecken in ihrem Gesicht wurde mir ganz schlecht. »Das ist unmöglich. Die Aura ist nicht lebensnotwendig«, widersprach ich. »Sie sorgt nur dafür, dass die Sehergabe erhalten bleibt. Aber nicht … «
    »Für sie ist sie lebensnotwendig.«
    »Aber das würde ja bedeuten, dass sie nicht einfach nur Seher sind. Sie müssten eine Inkarnation des Æthers selbst sein.«
    »Vielleicht sind sie das ja.« Liss zog sich eine fadenscheinige Decke über die Schultern. »Das ist der Daseinszweck von uns Clowns, wir sind quasi Auramaschinen. Futter für die Rephs. Aber ihr Jackenträger, von euch nähren sie sich nicht. Ein Privileg, das ihr genießen dürft.« Nach einem kurzen Blick zum Ofen fügte sie hinzu: »Solange ihr bei den Prüfungen nicht versagt.«
    Das machte mich erst mal sprachlos. Die Vorstellung, dass die Rephaim sich von Aura ernährten, ergab einfach keinen Sinn. Sie war die Verbindung zum Æther und bei jedem Seher einzigartig. Mir wollte einfach nicht einleuchten, wie sie die als Lebensmittel verwerten konnten.
    Aber gleichzeitig erklärte diese Neuigkeit so einiges hier in Sheol I: Deswegen nahmen sie Seher unter ihre Fittiche. Deswegen entledigten sie sich nicht einfach der Akrobaten, wenn die nicht gegen die Emim kämpfen konnten. Es ging ihnen nicht darum, dass sie für sie tanzten – warum auch? Das waren oberflächliche Belustigungen, die nur dafür sorgten, dass den Rephaim bei all ihrer Macht nicht langweilig wurde. Wir waren nicht nur ihre Sklaven, wir waren ihre Nahrungsquelle. Deshalb mussten wir für die Fehler der Menschheit bezahlen, und nicht die Amaurotiker.
    Wenn ich nur daran dachte, dass ich noch wenige Tage zuvor in London gewesen war und mein halbwegs normales Leben in Seven Dials gelebt hatte, ohne auch nur zu ahnen, dass diese Kolonie hier existierte …
    »Jemand muss sie aufhalten«, sagte ich schließlich. »Das ist doch Wahnsinn.«
    »Sie sind seit zweihundert Jahren hier. Meinst du nicht, wenn es möglich wäre, hätte sie inzwischen jemand aufgehalten?«
    Abrupt wandte ich mich ab. Mein Schädel dröhnte.
    »Tut mir leid.« Liss warf mir einen scheuen Blick zu. »Ich will dir keine Angst machen, aber ich bin schon zehn Jahre hier. Wie oft habe ich gesehen, wie manche sich aufgelehnt haben, Leute, die ihr altes Leben zurückhaben wollten, und am Ende waren sie alle tot. Irgendwann gibt man einfach auf.«
    »Bist du eine Prophetin?« Natürlich wusste ich, dass sie keine war, ich fragte mich aber, ob sie mich anlügen würde.
    »Tarotistin.« Ein alter Slangausdruck für Kartenleser, den man vor zehn Jahren benutzt hatte. »Sobald ich das erste Mal die Karten gelegt habe, wussten sie es.«
    »Was hast du gesehen?«
    Im ersten Moment dachte ich, sie hätte mich nicht gehört. Dann durchquerte sie das Zimmer und kniete sich neben eine kleine Holzbox. Sie holte einen Packen Tarotkarten hervor, der von einem roten Band zusammengehalten wurde. Nachdem sie eine Karte gezogen hatte, reichte sie sie mir – der Narr.
    »Ich wusste schon immer, dass es mein Schicksal ist, mich am Bodensatz der Gesellschaft zu bewegen«, sagte sie. »Und ich hatte recht.«
    »Kannst du mir auch die Karten legen?«
    »Nicht jetzt, du musst gehen.« Liss holte ihren Beutel mit Kreide aus dem

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