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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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zumindest hielt ich es für einen Traum.« Ich ließ ein wenig Wasser über seine Schulter laufen. »Ich träumte von einem Feld voller Blumen. Je tiefer ich in das Feld hineinlief, umso dunkler wurde es. Und jede Nacht kam ich ein Stückchen weiter, bis ich irgendwann das andere Ende erreichte, sprang und ins Leere fiel.« Wunde abtupfen. »Ich stürzte in den Æther, fiel aus meinem Körper heraus. Erst im Krankenwagen kam ich wieder zu Bewusstsein. Mein Vater sagte, ich sei schlafend ins Wohnzimmer gewandert und hätte dann einfach aufgehört zu atmen. Sie glaubten, ich sei in eine Art Koma gefallen.«
    »Aber du hast überlebt.«
    »Ja. Und das ohne jeden Hirnschaden. Sauerstoffmangel im Gehirn ist ein grundlegendes Risiko in meinem … Zustand.« Es war mir unangenehm, ihm solche Details über mich zu verraten, aber wahrscheinlich war es besser, wenn er das wusste. Falls er mich zwang, ohne lebenserhaltende Maschinen zu lange im Æther zu bleiben, wäre mein Gehirn am Ende irreparabel geschädigt. »Ich hatte Glück gehabt.«
    Der Wächter sah zu, wie ich die Wunde an der Schulter reinigte. »Das legt den Schluss nahe, dass du aus Sicherheitsgründen nicht sehr oft in den Æther eintauchst«, stellte er fest. »Trotzdem scheint dir der Vorgang vertraut zu sein.«
    »Instinkt.« Ich wich seinem Blick aus. »Ohne Medikamente wird das Fieber nicht nachlassen.«
    Das war keine richtige Lüge gewesen. Meine Gabe funktionierte tatsächlich instinktiv, aber ich würde ihm bestimmt nicht verraten, dass ich von einem Denkerfürsten gefördert und trainiert worden war, der mich dazu an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen hatte.
    »Dieser Poltergeist«, sagte der Wächter, »hat er Narben hinterlassen?«
    Ich zog einen Handschuh aus und streckte ihm meine Linke hin. Er studierte die Male – sollte er ruhig. Es war ja auch ungewöhnlich für einen heranwachsenden Seher, so gewaltsam dem Æther ausgesetzt zu werden.
    »Ich schätze, in mir gab es schon so eine Art Riss, irgendetwas, das den Æther eingelassen hat«, erklärte ich. »Der Geist hat mich einfach … aufgestemmt.«
    »So siehst du das also? Dass der Æther in dich eindringt?«
    »Wie siehst du es denn?«
    »Ich werde meine Meinung dazu nicht äußern. Aber viele Seher sind der Ansicht, dass sie in den Æther eindringen und nicht andersherum. Für sie ist das eine Störung der Totenruhe.« Er wartete keine Antwort ab, sondern fuhr nahtlos fort: »Ich habe so etwas schon erlebt: Kinder sind sehr anfällig für abrupte Veränderungen ihrer Sehergabe. Wenn sie dem Æther ausgesetzt werden, bevor ihre Aura voll entwickelt ist, kann sie labil werden.«
    Ruckartig zog ich meine Hand zurück. »Ich bin nicht labil.«
    »Deine Gabe schon.«
    Dagegen konnte ich nichts sagen. Immerhin hatte ich mit meinem Geist bereits getötet. Wenn das nicht labil war, was dann?
    »Der Art von Wundbrand, die diesen Bissen innewohnt, erliegen nur Rephaim«, erklärte der Wächter übergangslos. »Der menschliche Körper ist in der Lage, sie zu bekämpfen.« Ich wartete ab, worauf er hinauswollte. »Der Wundbrand der Rephaim kann durch menschliches Blut zerstört werden. Solange der Blutkreislauf nicht unterbrochen wird, können Menschen solche Bisse überstehen.« Er zeigte auf mein Handgelenk. »Ungefähr ein halber Liter deines Blutes könnte mir das Leben retten.«
    Plötzlich fiel mir das Atmen schwer. »Du willst mein Blut trinken.«
    »Ja.«
    »Was bist du, ein Vampir?«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass ein Bewohner von Scion etwas über Vampire zu lesen bekommt.«
    Verdammt. Nur ein hochrangiges Mitglied des Syndikats konnte an Literatur herankommen, in der Vampire oder irgendwelche anderen übernatürlichen Wesen vorkamen. In meinem Fall war es ein Groschenroman namens Die Vampire von Vauxhall gewesen, geschrieben von einem anonymen Medium aus der Grub Street. Er dachte sich die wildesten Geschichten aus, da von Scion einfach keine spannenden Bücher zu bekommen waren, und benutzte dazu alte Mythen über die jenseitige Welt. Seine Machwerke trugen Titel wie Traumatische Teestunde oder Das Feenfiasko . Vom selben Autor stammten auch ein paar ganz anständige Schmachtfetzen über Seher, wie zum Beispiel Die Geheimnisse von Jacob’s Island . Nun wünschte ich mir, ich hätte sie nie gelesen.
    Der Wächter hielt mein Schweigen offenbar für ein Zeichen von Nervosität. »Ich bin weder ein Vampir noch sonst etwas, was du vielleicht aus Büchern kennst«, fuhr er fort. »Ich

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