The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
eine dieser Punkgören meine kleine Schwester ist.
Dorrit schiebt sich einen Zwiebelring in den Mund, als wäre alles in bester Ordnung. »Hi, Carrie«, sagt sie. Sonst nichts. Noch nicht einmal: »Wie findest du meine Haare?« Sie greift nach ihrem Milchshake und trinkt das Glas mit lautem Schlürfen leer.
»Dad bringt dich um«, sage ich. Dorrit zuckt gleichgültig mit den Achseln. Ich betrachte ihre Freundinnen: exakt die gleiche Egal-Haltung. »Geh raus und warte im Wagen auf mich. Ich komme in einer Minute nach.«
»Erst esse ich noch in Ruhe meine Zwiebelringe auf«, erklärt sie ungerührt. Es treibt mich jedes Mal zur Weißglut, mit welcher Unverfrorenheit sich meine Schwester Befehlen widersetzt, besonders wenn es meine Befehle sind. »Ab in den Wagen mit dir!«, wiederhole ich in schärferem Ton und drehe mich um.
»Wohin gehst du?«
»Ich muss noch kurz mit Walt reden.«
Walt hat eine fleckige Schürze umgebunden und auf seiner Stirn stehen Schweißperlen. »Ich hasse diesen Job«, sagt er, als wir kurz darauf auf dem Parkplatz stehen und er sich eine Zigarette anzündet.
»Aber die Hamburger sind super.«
»Wenn ich den Job hier hinter mir habe, will ich in meinem ganzen Leben keinen Hamburger mehr sehen.« Er nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette.
»Walt«, sage ich. »Maggie …«
»Ist nicht bei ihrer Schwester in Philadelphia«, unterbricht er mich.
»Woher weißt du das?«
»Wie oft besucht sie ihre Schwester? Einmal im Jahr? Außerdem kenne ich Maggie jetzt lange genug, um zu merken, wann sie lügt.«
Ich frage mich, ob er auch über Peter Bescheid weiß. »Und was willst du jetzt machen?«
»Wahrscheinlich gar nichts. Ich warte, bis sie mit mir Schluss macht, und dann war’s das.«
»Vielleicht solltest du mit ihr Schluss machen.«
»Wozu?« Walt schnippt seine aufgerauchte Zigarette ins Gebüsch. »Das Ergebnis ist doch das gleiche.«
Ich finde, dass Walt die Dinge manchmal ein bisschen zu sehr auf sich zukommen lässt.
»Aber wenn du zuerst Schluss machst …«
»Um Maggie die Schuldgefühle zu ersparen? Bestimmt nicht.«
Meine Schwester kommt mit ihrer neuen bunten Haarpracht aus dem Restaurant geschlendert. »Pass bloß auf, dass Dad dich nicht beim Rauchen erwischt«, sagt sie im Vorbeigehen.
»Jetzt hör mir mal gut zu, du kleine Rotznase. Erstens habe ich gar nicht geraucht und zweitens solltest du dich lieber um deine eigenen Probleme kümmern. Zum Beispiel, wie du Dad das mit deinen Haaren erklärst.«
Walt schüttelt den Kopf, als Dorrit in den Wagen einsteigt. »Mein kleiner Bruder ist ganz genauso. Die Jugend von heute hat einfach keinen Respekt mehr.«
Gerissener Charmeur
Mein Vater fällt fast in Ohnmacht, als Dorrit und ich nach Hause kommen, und führt sie sofort in ihr Zimmer ab, um in Ruhe mit ihr zu reden. Diese Unter-vier-Augen-Gespräche sind immer die reinste Tortur. Egal wie einfühlsam und verständnisvoll er zu sein versucht, man fühlt sich danach meistens nur noch schlechter. Entweder beruft er sich auf eigene in der Jugend gemachte Erfahrungen oder bemüht haarsträubende Vergleiche aus der Wissenschaft. Ich weiß also genau, was Dorrit blüht.
Die Tür zu ihrem Zimmer ist zwar geschlossen, aber in unserem hundertfünfzig Jahre alten Haus kann man jedes Wort hören, wenn man im Flur steht und lauscht. Und genau das tun Missy und ich gerade.
»Ich möchte gern verstehen, warum du das getan hast, Dorrit«, eröfnet mein Vater seinen Vortrag. »Weißt du, ich habe den Verdacht, dass die, ähem, Verunstaltung deiner Haare in indirektem Zusammenhang mit der Überbevölkerung steht, die ein zunehmendes Problem für unseren Planeten darstellt. Menschen sind nun einmal nicht dafür geschafen, auf engstem Raum zusammenzuleben, und der dadurch ausgelöste Stress
äußert sich in autoaggressivem Verhalten oder, anders ausgedrückt, in der Verstümmelung des eigenen Körpers. Das betrifft besonders junge Menschen … Sie lassen sich Nasenringe stechen und tätowieren oder färben sich die Haare, ähem, bunt. Es liegt in der menschlichen Natur, sich von den anderen abheben zu wollen, aber dabei wird bedauerlicherweise zu immer radikaleren Mitteln gegrifen. Verstehst du, was ich dir damit sagen will, Schatz?«
»Nein.«
»Ich will dir damit sagen«, fährt er geduldig fort, »dass du diesem Instinkt auf keinen Fall nachgeben solltest. Nur wer in der Lage ist, seine negativen Triebe zu zügeln, kann ein erfolgreiches Mitglied der Gesellschaft werden.
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