The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
Ich finde nämlich, dass wir beide uns besser kennenlernen sollten, und deswegen dachte ich, wir könnten zusammen in eine Ausstellung gehen und uns ein paar schöne Bilder anschauen. Kennst du dich ein bisschen mit Kunst aus?«
»Klar.« Das ist eine Lüge. Über Kunst weiß ich genauso wenig wie über Europa. Warum habe ich nie einen Kurs in Kunstgeschichte belegt, um für solche Fälle gewappnet zu sein?
Das war’s. Ich bin erledigt.
Sebastian wird mich sofort durchschauen und mich abschreiben, noch bevor unser erstes Date gelaufen ist.
»Mein Lieblingsmaler ist Max Ernst«, sagt er. »Und deiner?«
»… Peter Max?« Das ist der einzige Künstler, der mir spontan einfällt.
Er lacht. »Du bist wirklich komisch.«
Wir fahren zum Wadsworth Atheneum Museum in Hartford. Ich war schon gefühlte eine Million Mal auf Ausflügen mit der Grundschule dort, die klebrige Hand eines Mitschülers festhaltend, damit keiner von uns verloren ging. Ich fand es immer schrecklich, durch die Säle gescheucht und ständig von irgendwelchen
hysterischen Müttern zurechtgewiesen zu werden, die zur Unterstützung der Lehrerin mitgekommen waren. Wo war Sebastian damals?, frage ich mich, als wir das Museum betreten und er nach meiner Hand greift.
Ich werfe einen Blick auf unsere verschränkten Finger und mache eine erschütternde Feststellung.
Sebastian Kydd kaut an den Nägeln.
»Komm mit«, sagt er und zieht mich hinter sich her. Wir bleiben vor einem surrealistischen Gemälde stehen, das ein junges Paar auf einer Marmorbank an einem Bergsee zeigt. Sebastian schlingt von hinten die Arme um meine Schultern und legt sein Kinn auf meinen Kopf. »Manchmal wünsche ich mir, in das Bild hineinschlüpfen zu können. Die Augen zu schließen und plötzlich dort zu sein. Ich würde für immer dort bleiben.«
Und was ist mit mir?, schreit eine Stimme in meinem Kopf. Ich will nicht, dass er mich einfach so zurücklässt, auch wenn es nur in seiner Fantasie ist. »Würdest du dich nicht irgendwann langweilen?«
»Nicht wenn du bei mir wärst.«
Ich bekomme weiche Knie. Eigentlich sagen Jungs so etwas nicht. Man wünscht es sich, aber sie tun es nie. Jetzt mal im Ernst, wer würde so etwas schon in Wirklichkeit sagen?
Ein Junge, der wahnsinnig in einen verliebt ist. Ein Junge, der sehen kann, was für ein unglaublicher und erstaunlicher Mensch man ist, obwohl man kein Cheerleader und nicht einmal annähernd das hübscheste Mädchen der Schule ist. Ein Junge, der einen so schön findet, wie man ist.
»Meine Eltern sind zurzeit in Boston«, sagt er. »Hast du Lust, noch mit zu mir zu kommen?«
»Klar.« Mit ihm würde ich überallhin gehen.
Ich habe die Theorie, dass ein Blick in das Zimmer eines Menschen genügt, um alles über ihn zu wissen. In Sebastians Fall versagt sie leider kläglich. Es hat nichts mit den Jungszimmern zu tun, die ich kenne, sondern kommt mir eher vor wie ein Gästezimmer in einem mit Antiquitäten eingerichteten Bed&Breakfast. Auf dem Bett liegt ein schwarz-roter Quilt und an der Wand hängt ein altes Steuerrad von einer Segeljacht. Nirgends Poster oder Fotos, keine Baseball-Devotionalien – noch nicht mal eine herumliegende dreckige Socke. Vom Fenster aus sieht man auf eine braune Herbstwiese und die strahlend gelben Backsteine einer Kurklinik. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, neben Sebastian in dem Max-Ernst-Gemälde auf der Marmorbank unter azurblauem Himmel zu sitzen.
Jetzt wo ich in seinem Zimmer bin – wirklich mit ihm zusammen bin –, wird mir doch ein bisschen mulmig.
Sebastian fasst nach meiner Hand und führt mich zum Bett. Er legt die Hände an meine Wangen, zieht mein Gesicht zu sich heran und küsst mich.
Unwillkürlich halte ich die Luft an. Ich – und Sebastian Kydd. Und es ist kein Traum.
Nach einer Weile hebt er den Kopf und sieht mich an. Sein Gesicht ist meinem so nah, dass ich die winzigen dunkelgrünen Sprenkel in seiner Iris sehen kann. So nah, dass ich sie zählen könnte.
»Hey«, sagt er. »Du hast mich gar nicht gefragt, warum ich nicht angerufen hab.«
»Hätte ich fragen sollen?«
»Die meisten anderen Mädchen hätten gefragt.«
»Vielleicht bin ich ja nicht wie die meisten anderen Mädchen. « Kann sein, dass es ein bisschen arrogant klingt, aber ich
werde den Teufel tun und ihm sagen, dass ich die letzten zwei Wochen Dauergast in einer emotionalen Achterbahn gewesen bin und bei jedem Telefonklingeln Herzrasen bekommen habe, dass ich ihn in Mathe heimlich
Weitere Kostenlose Bücher