The Cocka Hola Company: Roman
Meute.
Die Meute dreht sich noch einmal zum Balkon um, noch einmal beherrscht Simpel sich und redet leiser weiter.
Simpel: Rechne doch mal eins und eins zusammen, wenn dein Medienspatzenhirn das schafft. Wenn ich länger ins Gefängnis wandere, wer hat darunter zu leiden? Na …?
Robert: Lonyl?
Simpel: Ach bitte! Vergiss Lonyl! Dem ist es so was von scheißegal, wo ich bin. Denk nach, bevor du so nen Scheiß verzapfst! Wenn ich ernsthaft ins Visier der Polizei gerate, dann rollen die uns den ganzen Konzern auf! Ich will nicht daran Schuld sein, dass ein paar Dutzend Leute die angenehmste Lebenssituation verlieren, die man sich vorstellen kann! Das muss doch sogar dir klar sein! Ich hab viel Streit mit den Leuten im Konzern, GUT UND SCHÖN, aber ich hänge mein eigenes Scheißprojekt nicht so viel höher als die anderen. Aber so denkt ihr wahrscheinlich nicht in eurer Medienfotzenwelt. Hä? Genau so hab ich mir euch vorgestellt, ihr widerlichen bekackten Diktaturhuren.
Robert (mit versöhnlicher Medienstimme): Cool, Simpel, ich hab das nicht als Kritik gemeint … ich hab mich nur gefragt, ob … ob das mit dem Gefängnis vielleicht mal konkret wird, wo du das so verlockend findest … oder?
Simpel: Frag dich meinetwegen, bis dir das Blut aus dem Arsch läuft. Irgendwann wirst du schon kapieren, dass es Fragen gibt, die wichtiger sind als deine. Aber das ist vielleicht ganz fürchterlich schwer zu verstehen …?
Robert: Eh … nein … Ich hab ja zum Beispiel diese Adventsfeier organisiert … was relativ Soziales … oder Unegoistisches … wenn man so was macht …
Simpel: HÖR BLOOOSS AUF, sonst muss ich dir leider ein paar reinsemmeln. Wenn du noch einmal diese bekackte Adventsfeier hier als Ausrede für irgendwas benutzt, dann kracht es dermaßen, dass du’s nicht so bald vergisst. Wenn das Ergebnis dieses Gesprächs ist, dass du mich von vorn bis hinten missverstehst, dann können wir’s gleich lassen, dann scheiß ich drauf! Also Schluss, besser jetzt als später, verdammte Scheiße. Mediensack.
Simpel reißt die Balkontür auf und geht zitternd aufs Klo. Casco blickt ihn an und beißt die Zähne zusammen – Simpels hektische rote Flecken am Hals können nichts anderes bedeuten, als dass er wütend ist; dann kriegt er diese roten Flecken, egal wie kalt es ist. Casco beißt sich auf die Unterlippe und hofft, dass Simpel das Xanax dabeihat. Simpel setzt sich auf den Klodeckel, von dem Casco vorhin säuberlich das restliche Koks abgeschleckt hat, nimmt das Xanax-Glas hervor und wirft eineinhalb Milligramm ein, was ihn über seinen täglichen Durchschnitt bringt, aber dieser Tag ist ja auch anders als andere. Ein paar Minuten – ziemlich lange für einen Aufenthalt auf einer fremden Toilette – sitzt er da, den Kopf zwischen den Knien, und atmet durch, dann geht er wieder ins Wohnzimmer. Robert lässt er stehen und schaut nach Lonyl. Der sitzt immer noch allein da, von noch mehr zerpflückten Würstchen umgeben. Kurz erwägt Simpel, ob er ihm väterlich die Hand auf den Kopf legen soll, aber er muss nicht lange nachdenken, bevor er es verwirft. Stattdessen fragt er Lonyl, ob’s ihm gut geht, obwohl er weiß, dass dem nicht so ist, obwohl er weiß, dass er keine Antwort bekommt, und er bekommt auch keine, was letztlich bedeutet, dass es dem Jungen tatsächlich nicht so besonders geht. Simpel dreht sich um und sieht, dass die Eltern nach und nach vom Tisch aufstehen, bis auf Casco und Sultans Mutter, die sich tief in die Augen blicken, innig ins Gespräch vertieft – ein Gespräch über irgendwelchen Scheiß, denkt Simpel. Der Vertretungsvertreter wirft mit großen Worten um sich, von wegen »kleinen Menschen« nicht mit sturer Lehrbuchpädagogik zu begegnen, was die halbgebildete Schar von Kindsmüttern von Mitte dreißig, Anfang vierzig, die sich um ihn versammelt haben, offensichtlich schwer beeindruckt; die Männer halten genügend Abstand, sind durchschnittlich zehn Jahre älter als ihre Frauen und um einiges fetter als der Junglehrer. Männerpsychologie ist eine übersichtliche Materie. Pauline-Pupsines Mutter wuselt herum und kümmert sich; gleich gibt es Zeichentrickfilme für die Kinder und Kaffee/Cognac für die Erwachsenen. Robert scheint unschlüssig, was er tun soll. Simpel denkt, wenn der Typ Format hat, dann nimmt er wieder Kontakt auf. Er hat’s einmal geschafft, da sollte es ihm das zweite Mal nicht so wahnsinnig schwer fallen. Und tatsächlich. Es dauert zwar ein Weilchen, aber
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