The Cocka Hola Company: Roman
PapaHans dir geschrieben? Wichtig!« und halte ihm den Zettel hin. Ritmeester steht mindestens fünf Minuten ungläubig da, bevor er liest. Dann schaut er mich misstrauisch an und antwortet: »Neeein?« Ich mache den Mund auf und will es ihm erzählen, er schreit: »NNEEEEIIINNPSCH-SCHSCHT!«, hält die Hände hoch und kneift die Augen zu. Kommt nicht in Frage, dass ich den Mund aufmache. Er holt einen Block von seinem Schreibtisch, deutet zum Sofa, ich soll mich hinsetzen und da schreiben. Ich seufze so laut, dass er die Augen verdreht: »Pass auf, sonst fliegst du raus!« Verfluchter Irrer. Vollhirni. Ich bin kurz davor, mir eine Geschichte auszudenken, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, damit DESIREVOLUTION hops geht, aber der Laden geht sowieso hops, also scheiß drauf. Ich schreibe:
Simpel ist festgenomen worden weil irgentwer uns verfifen hat. Polizei weis bescheid über dich und mich und ale. Komt sicher balt her. Reum auf!
Ritmeester lacht: »Scheiße, bist du Legastheniker?« Er steht mit verschränkten Armen vor mir. Ich schreibe NEIN unten auf den Block und erinnere mich an viele quälende Situationen in der Schule und im Leben danach. »Ach nein?« lächelt er. Dann geht er in seine Teeküche und holt einen ganzen Stapel Plastiktüten aus einer Schublade, alle aus dem Supermarkt, in dem ich gerade war. Er geht zum Videoregal und leert zwei ganze Bretter voll Pornofilme in die Tüten. Dann sackt er Zeitschriften von drei bestimmten Stapeln ein. Nach einer Weile schaut er mich an und sagt:
– So, fang schon mal an. Du schaffst das doch mit einmal, was, Eisenmann?
Ich schaue dumm aus der Wäsche, er redet weiter:
– Na los schon. Bring das Zeug raus. Schaff es weg. Ist das so schwer zu verstehen? Ich habe alles nach Kategorie, Datum und Legalität geordnet. Das hier sind die illegalen Sachen. Die müssen raus. Dein Job. Fang an. Legastheniker.
Ich nicke und überlege, wo ich mit dem ganzen Zeug hin soll, habe aber keine Lust auf noch mehr Geschnauze, sondern nehme fünf, sechs Tüten mit Pornos und Zeitschriften und gehe los. Ritmeester räumt hinter mir weiter aus. Ich gehe runter auf die Straße. Ritmeester wohnt mitten in der Stadt. Zentraler geht’s nicht. Ich stehe vor der Haustür und schaue die Straße hoch und runter. Zwei Blocks weiter oben steht ein Laster mit Plane über der Ladefläche. Ich gehe hin und schaue nach, ob wer drinsitzt. Dann löse ich die Gummileine von ein paar Haken und schaue unter die Plane. Auf der Ladefläche liegt Straßenarbeiterwerkzeug, sonst ist Platz. Um mich herum wimmelt es von Leuten, die mich ebenso wenig beachten wie ich sie. Ich hieve die Tüten auf die Ladefläche. Aus einer ergießt sich ein Stapel Magazine mit dem Titel PRE-PUBERTY. Auf der Titelseite des obersten ist ein Schwanz zu sehen, der gerade aus einem deutlich minderjährigen Arschloch kommt, voll mit Scheiße. »Frohe Weihnachtsgrüße ans Straßenbauamt: Ritmeester«, denke ich und gehe wieder hoch.
Ritmeester hat mindestens noch neun Tüten voll Pornos fertig. Ich versuche, sie alle auf einmal mitzunehmen, aber keine Chance. Unten ist der Laster weg. Auf der anderen Straßenseite wird eine Fassade gereinigt, vor dem Haus steht ein Container, in den werfe ich die Tüten. Die letzte Ladung mit illegalem Material füllt einen Müllcontainer hinter dem Sentrum Teater bis zum Rand. Dann gehe ich zum letzten Mal hoch, um mich von Ritmeester zu verabschieden. Er sitzt wieder in seinem Ohrensessel, die Hände vorm Mund gefaltet. Seine hässlichen Augen gucken scharfsinnig und durchdringend. Mich persönlich kotzt es gründlich an, dass er so auf unschlagbarer wise guy macht. Er winkt mich wieder aufs Sofa. Ich höre zu.
– Du musst dafür sorgen, dass PapaHans die gesamte Korrespondenz vernichtet, alle Verträge, alle Berichte und so, sagt er. Ich nicke. – Er hat gesagt, er hat völlige Übersicht über die Papiere von DESIREVOLUTION. Ich verlasse mich darauf. Er muss einfach alles Geschriebene loswerden. Das Finanzielle kriegt er sicher nicht frisiert, bis die Steuerfahndung kommt, aber das muss er auf seine Kappe nehmen. Hauptsache, es gibt keine Beweise mehr für unsere Kontakte. Hans wird damit leben müssen, dass die Geschäftsführung des Konzerns in andere Hände übergeht, solange er sich mit dem Finanzamt rumschlägt. Mehr droht ihm nicht.
Hast du keine Angst, das die hier reinkomen und du mit ihnen reden must? , schreibe ich auf und halte es ihm hin.
– Schon mal
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