The Cocka Hola Company: Roman
will ich doch anehH-HHmen … BLOOPBLOLOPP … weil, selbst die schmeichelhaftesten Holbein-Porträts sind ein memento , Tiptop, memento mori , verflucht nochmal, frag PapaHans … kloooatsch … vergiss nie, aus welchem Stoff du gemacht bist, Junge, du sollst nie vergessen, dass du ohne Rückfahrkarte dastehst … bloiipp … vergiss nicht, dass du sterben musst, bitte schön, vergiss es nicht, lass dich von Speedo daran erinnern. Das ist Speedos Werk, eine große, ernste Memento-Mori-Komposition … plopp … BLALAPP … Daran erinnert dich Speedo, und seine Art und Weise, das zu tun, steht verflucht nochmal nicht hinter irgendwelchen bescheuerten alten Gemälden zurück … Vergänglichkeit … Willkür, das ist eine Mahnung! … Sein Leben hat eine Wendung ins Tragische genommen, in Ordnung, aber wie wichtig ist das schon? Die Welt opfert gern mal ein, zwei Leben für Die Große Mahnung, das ist nichts Neues … plopp … die Welt reißt gern mal einen Elenden ein paar Tage vor seiner Zeit aus der Wirklichkeit. Mission kostet Zeit, Tiptop, egal, auf welche Art und Weise man seine Tage gratis hergibt … plopp … Diese Größe in Speedos Werk ist DER TOD, und von dieser Tatsache ist Sonja kürzlich eingeholt wordeeen … plipp … wir müssen sie nur so weit bringen zu verstehen, dass sie da gerade ein Erweckungserlebnis durchmacht … pfffffflt … nichts anderes. Sie verwechselt das immer noch mit …
Tiptop unterdrückt ein Gähnen, er hört schon längst nicht mehr zu. Er beäugt die tristen Frühstücksreste auf dem Küchentisch und spekuliert, was für eine Art Stimmung in dieser Bude eigentlich morgens herrscht.
RÜCKBLENDE: AM SELBEN MORGEN BEI SIMPEL, MOTHA UND LONYL
Simpel und Motha müssen an diesem Morgen so gut wie all ihre Zeit darauf verwenden, Lonyl begreiflich zu machen, dass er um halb ein Uhr direkt zu Sonja/PapaHans hinübergehen soll. Besser gesagt ist das Problem nicht, ihm das begreiflich zu machen, sondern ihm eine Äußerung des Einverständnisses zu entringen, ein »ja« oder ein »okay«. Als Lockvogel dient diesmal, dass er eine halbe Stunde früher als die anderen Kinder aus der Schule weggehen darf. Simpel schreibt ihm folgende Nachricht für die Lehrerin:
Lonyl muss heute wegen einer Beerdigung früher aus der Schule weggehen (12.30 Uhr).
Das findet Lonyl supercool, und er verspricht, seiner Lehrerin die Entschuldigung gleich in der ersten Stunde zu geben und sie lieb und nett um den Gefallen zu bitten, dass sie ihm Bescheid sagt, wenn es halb eins ist. Simpel hat gelernt, dass man Lonyl mit irgendwas Obskurem bestechen muss, wenn man ihn überhaupt zur Zusammenarbeit bewegen will (heute also diese Beerdigungslüge, die Lonyl sich selber ausgedacht hat). Lonyls Tagesablauf sieht im Prinzip zunächst so aus wie immer. Die ersten zwanzig Minuten der ersten Schulstunde vergehen mit Anschnauzereien: Lonyl veranstaltet seinen üblichen Krawall, wohlgemerkt, ohne dass die anderen Kinder daran teilnehmen. Die sitzen nur da und grienen vergnügt, während das ebenso übliche »Jetzt reiß dich zusammen, Lonyl!« und »Du machst den anderen Kindern den Unterricht kaputt!« und »Gleich gibt es eine Nachricht an deine Eltern!« und »Muss ich dich erst zum Rektor runterschicken? Willst du das?« und »Jetzt reicht’s!« und »Sei jetzt STILL, wenn du nicht dran bist!« und »Was TUST du da!!?« über seinen kleinen Körper hinwegspült. Die Dame, die die verschwundene Cathrine Færøy vertritt, hat sich schnell in die Lonyl-Anschnauz-Routine gefunden. Schon jetzt, nach zwei Wochen, schnauzt sie fast genauso geläufig wie Færøy die letzten eineinhalb Jahre lang, höchstens ein bisschen sanfter.
Lonyl wünscht ihr den Tod an den Hals.
Wie auch immer: Zum Start in den Tag vergisst Lonyl seinen Schulrucksack, oder besser, er »vergisst« ihn. Er ist sehr tüchtig darin, ihn nicht zu vergessen, wenn er auf Raubzug geht, und ebenso tüchtig darin, ihn zu vergessen, wenn er in die Schule geht. Der kleine blaue Rucksack mit den roten Riemen liegt irgendwo hinterm Sofa im heimischen Wohnblock, darin das Rechenbuch, das Lesebuch und die Fibel, dazu Cathrine Færøys handgeschriebener Abschiedsbrief. Im Rechenbuch ist bislang keine einzige Aufgabe gelöst worden, als einziges Lebenszeichen hat er die ersten Seiten mit Filzer geschwärzt. Im Lesebuch ist keine einzige Zeile gelesen worden, und in der Fibel gibt es nur ganz hinten einen Haufen Zeichnungen, ebenfalls mit schwarzem Filzer,
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