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The Cocka Hola Company: Roman

The Cocka Hola Company: Roman

Titel: The Cocka Hola Company: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matias Faldbakken
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die durchaus nicht so aussehen, als hätte sie ein Siebenjähriger gemalt.
    Die Entschuldigung, das einzig Interessante heute, vergisst er nicht. Er stopft sie in eine seiner Reißverschlusstaschen, sobald Simpel die Lüge fertig gedichtet hat. Motha küsst Lonyl ganz oben auf die Stirn, ungefähr auf die Stelle, wo sein Afro-Schopf rauswächst, und geht. Simpel ist schon dermaßen tief in Gedanken versunken, dass er fast nicht mehr ansprechbar ist. In diesem Stadium der Konzentration besteht sein einziger Kontakt mit der Außenwelt in einer Art Reflex des Inhalts Jetzt sind wir schon so lange auf, langsam wird’s Zeit für die Schule , und dieser Reflex lässt ihn ungezielt und in minütlichen Intervallen rufen:«Jetzt geh endlich, Lonyl, sonst kommst du wieder zu spät!«, bis er (wahrscheinlich unterbewusst) die Tür zukrachen hört. Simpels Rufe verstummen, und Lonyl trabt ohne Rucksack los.
    Unten im Erdgeschoss kratzt Lonyl an Saddams Tür, und Saddam öffnet mit dem breitesten Lächeln der Welt. Dann stecken seine Bärenpfoten zwei Bonbons in Lonyls kleine (verdreckte) Jungshände, worauf er Lonyl drei-, viermal abwechselnd in die Wange kneift und draufpatscht, um ihn schließlich mit einem Klaps auf den Rücken loszuschicken. Saddam liebt Lonyl, der weiterläuft und sich die Bonbons in den Mund steckt. Sie sind derart gut, dass er anfängt zu trödeln. Er kommt unglaublich langsam voran; Saddams Bonbons sind dermaßen lecker (weiß der Satan, wo er so gute herhat), dass sie so gut wie täglich eine zehnminütige Verspätung bewirken. Lonyl vergisst alles andere auf der Welt und lebt in den paar Minuten, die die Bonbons halten, in seinem Mund . Das ist gar nicht mal verkehrt, denn wenn man sich die zutiefst spießbürgerliche Mittelklassegegend anschaut, kann man Lonyls Schulweg als einen der deprimierendsten bezeichnen, die die Welt zu bieten hat.
    Als allerletztes ließe sich über Lonyl sagen, dass er gelernt hätte, sich situationsgemäß zu verhalten. Wie er in allerschönster Unbekümmertheit in die schon längst angelaufene erste Stunde Einzug hält, ist ein schlagender Beweis dafür. Er geht in einer makellosen Geraden von der Klassenzimmertür zur Vertretungslehrerin, die hinterm Katheder an der Tafel steht und gerade einen Buchstaben oder so schreibt. Bei Lonyls Anblick zieht ihr Mund sich zusammen, als müsste sie sich gleich erbrechen. Lonyl holt die Entschuldigung vor und hält sie ihr mit ausgestrecktem Arm hin, wie ein kleiner Hitlergruß. Die Vertretungslehrerin nimmt sie und liest. Lonyl ist weder fähig noch hat er Lust dazu, seine Freude zu verbergen; bevor die Lehrkraft sich durch Simpels Lüge durchbuchstabiert hat, wird er von einem Lachkrampf befallen; quietschend und mit Hicksern und so schadenfroh wie die Hölle in Menschengestalt. Er sperrt den Mund weit auf, kneift die Augen zusammen, sein kleiner Brustkorb hüpft und bebt, die Tränen kullern und zeichnen eine Spur auf seinen verschmierten Wangen. »LONYL!«, bellt die Vertretungslehrerin mit ihren schiefen, kampfergelben Zähnen – ein bisschen blauschwarzer Amalgamscheiß befindet sich auch dazwischen –, aber Lonyl hat keine Möglichkeit, seinen Lachanfall zu stoppen, er weiß, dass er sie gleich um den Gefallen bitten muss, und das steigert sein Glück noch weiter. Der Lachkrampf nimmt seinen Lauf.
    Der Rest der Klasse schaut vollständig schwachsinnig drein, wie kleine Kinder eben aussehen, wenn sie endlich aufhören, Lärm zu machen, um sich auf etwas zu »konzentrieren«, das sie nicht verstehen (meist etwas, das mehr Lärm macht als sie selber). Ihre Lippen hängen herab, ihre Zungen werden schwer, sie denken nichts und verstehen nichts; sie kucken nur bescheuert aus der Wäsche. Lonyls messerscharf quietschendes Lachen füllt das schäbige Klassenzimmer, in dem es nach feuchter Kleidung und Kinderatem riecht. Das Gelächter wird vom rhythmischen LONYL!- Geheul der Vertretungslehrerin begleitet. Als er es endlich geschafft hat, dauert es zähe zwei Sekunden, bis er die Augen aufmacht und wieder ganz bei sich ist, so, als würde er auf den losprasselnden Beifall der anwesenden Bildungsbürgerlein warten. Aber hier winken ihm keine Ovationen. Nur neunundzwanzig schwachsinnige Blicke und ein rasender. Er schnappt schlucksend nach Luft, dann fragt er:

    – Du, Fräulein?

    Und im Namen von Pädagogik und Demokratie, von Toleranz und Menschenrechten, von Akzeptanz und Verständnis, von Gerechtigkeit, Vorurteilsfreiheit und

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