The Cocka Hola Company: Roman
Er sitzt mitten in seiner Ordnung und seinem Postkundendasein und kommt körperlich immer mehr auf den Hund. Gekleidet ist er tadellos, das ist es nicht, er hat eine unerklärliche Vorliebe für halbteure leinenartige PAL ZILERI-Anzüge, von denen eine ganze Reihe gebügelt in dem kleinen Schrank beim Bett hängt; Eisenmann kriegt immer einen oder zwei plus die Anweisung: Reinigen lassen! mit, aber da alle gleich sind, ist er nicht sicher, wie viele genau Ritmeester besitzt; egal, die Anzüge sitzen gut, Ritmeester riecht auch immer frisch gewaschen, aber, wie Eisenmann denkt: Seife hin, Seife her, hübsch wirst du davon auch nicht mehr, du Penner. Ritmeester sieht bis ins Mark ungesund aus. Hässlich ist er sowieso schon mal, und erschwerend kommen dann noch hinzu 1) nicht blaulila, sondern schwarze Ringe um die Augen; 2) eine Gesichtshaut, die schimmelig und dabei knochentrocken aussieht (außer um die Augen, da ist er immer verschwitzt, ebenso wie die Stirn, an der kleine Haarsträhnen kleben); 3) kleine wunde Stellen am und im Mund; 4) eher gelbe als weiße Augäpfel; 5) fransige Haare wie bei einem Krebspatienten nach der Bestrahlung; 6) Spuren von Schuppenflechte um die Ohren; 7) Schläfenadern, die aussehen wie kleine blaue Würmer; 8) ein Netz von roten, teilweise geplatzten Äderchen auf den Wangen; 9) geschwollene Hände an – soweit die aus den Anzugärmeln ragen – dünnen, knochigen Armen; 10) orangegelbe Raucherfinger mit einem schwarzen Fleck am letzten Glied von Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand. Ritmeester ist eine merkwürdige Mischung von dick und dünn; er ist nicht dick, sondern aufgedunsen, nicht dünn, sondern knochig. Insgesamt ein ausgesprochen unattraktiver Mann. Irgendwelche Einwände gegen sein Projekt im Allgemeinen oder seinen körperlichen Zustand im Besonderen kommen natürlich nicht in Frage, aber ein, zwei Hinweise in Sachen Ernährungsgewohnheiten hätte Eisenmann dann doch ganz gern mal angebracht. Recht bedacht ist es ihm wiederum völlig schnuppe, dass er dazu keine Gelegenheit erhält. Die Einkaufsliste, die er allwöchentlich zugesandt kriegt (außer letzte Woche, die wurde aus welchem Grunde auch immer übersprungen), fällt immer magerer und kläglicher aus, z.B. so:
Einkaufsliste 42. Woche:
5 Weißbrote
9 Liter Magermilch
Eisenmann weiß nicht mehr genau wann, aber er ist sicher, dass er mal gesehen hat, wie Ritmeester in ein Weißbrot griff, die Teigkugeln in Magermilch tunkte und sie sich dann in den Mund stopfte. Noch vor einem Jahr hat die Einkaufsliste Butter, ein, zwei Sorten Aufschnitt und Kaffee enthalten. Mittlerweile lebt Ritmeester ausschließlich von Weißbrot/Magermilch-Bällchen und Marlboros. Die Magermilch lässt ihn mager, das Weißbrot dick werden, vollständig wird die Misere durch die Marlboros. Die seltenen Male, dass Eisenmann Ritmeester hat lachen hören, über sich selber wohlgemerkt, hat es geklungen wie eine Ladung Kies, die über ein Wellblechdach kullert. Egal wie lustig etwas ist, wenn der andere so klingt, vergeht einem das Lachen. Jemand in Ritmeesters körperlicher Verfassung sollte die Finger von Zigaretten lassen, aber er raucht natürlich wie besessen. Man meint zusehen zu können, wie der Verfall mit jedem Lungenzug fortschreitet. Für ihn und seinen zerrütteten Korpus ist Rauchen das A und O.
Ganz anders Eisenmann. Eisenmann raucht so gut wie ununterbrochen, aber auf eine distanzierte und scheinbar gesunde Art und Weise. Es ist sozusagen nicht der Rede wert, dass er raucht. Er ist ein Kettenraucher, der ebenso gut Nichtraucher sein könnte. Eisenmann ist einer von denen, die als kleine Jungen in den Kessel mit dem Zaubertrank gefallen sind. Er kann sich so schlecht behandeln, wie er will, es hat keine Folgen. Seine Gesundheit ist und bleibt robust. Man sieht es an seinen Bartstoppeln und Lippen und Kinnbacken und Haar und Gangart, ganz zu schweigen von seinem Nacken. Eisenmann hat eine dicke Haut, die leicht braun wird, und helles Haar. Als Mann von fast dreißig Jahren volles, fast weißblondes Haupthaar zu haben, ist an und für sich schon eine Leistung. Gibt es etwas, das gesünder aussieht als sonnengebräunte Männerbeine mit hellen Haaren? Nein, nicht? Eisenmann hat so welche. Nicht jetzt wohlgemerkt, mitten im Winter, aber er ist alles andere als blass oder gar bleich, seine Haut ist alles andere als trocken oder schuppig, auch jetzt noch nach Monaten ohne Sonnenschein.
Irgendwann kommt Simpel wieder von der
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