The Cocka Hola Company: Roman
Telefon, nur ein Momentchen.
– Ich muss runter, sagt die Frau.
– Ja, er kommt ja gleich …
– Ich habe keine Zeit, machen Sie jetzt freundlicherweise den Aufzug frei und lassen mich sofort runterfahren.
Die Rentnerin fängt an, vor Stress zu zittern.
– Du musst nicht lang warten, es ist dein Nachbar, Simpel, er kommt jeden Moment, beruhigt Tiptop sie.
– Wenn Sie nicht sofort den Aufzug frei machen, melde ich das dem Hausmeister! Ich muss zum Arzt! Ihr Freund wird sich noch umschauen! Raus mit Ihnen! ICH MUSS RUNTER!
– Ja ja, Scheiße, wenn es unbedingt sein muss, dann fahr schon …
Die gellende Stimme der Alten hat Tiptop mürbe gemacht. Er hält sich nicht so besonders in Konfliktsituationen, besser gesagt, bei Kleinigkeiten nachzugeben, macht ihm nicht viel aus. Aber als er gerade die Tür loslassen will, hört er Simpel im Diskant:
– HALT DIE SCHEISSTÜR FEST!!!
Tiptop wirft sich herum und kriegt die Tür im letzten Moment zu fassen, bevor sie zu ist und der Fahrstuhl abhaut. Die Rentnerin schaut ihn entsetzt an. Simpel brüllt den Hausflur runter:
– VERDAMMTE SCHEISSE NOCHMAL WAS LÄSST DU DIE TÜR LOS WO ICH GRADE KOMME? SIEHST DU NICHT DASS ICH GRADE KOMME? HAST DU DEN ARSCH AUF? WOZU SAG ICH NOCH DU SOLLST DIE TÜR FESTHALTEN? WAS BIST DU SO BESCHISSEN UNGEDULDIG?
– Die Frau da wollte unbedingt runter. Ich hab gedacht, wir können ja …
– WAS FÜR NE FRAU?
Simpel übernimmt die Fahrstuhltür und rauscht in die enge Kabine. Tiptop folgt ihm bedröppelt. Die Tür geht zu, der Fahrstuhl setzt sich knarrend und ruckelnd in Bewegung.
– VERFLUCHTE ALTE SCHACHTEL!, schreit Simpel der Rentnerin ins Gesicht. EIN BISSCHEN RÜCKSICHT WIRD MAN WOHL NOCH VERLANGEN DÜRFEN, EIN PAAR SEKUNDEN WARTEN WIRST DU DOCH KÖNNEN, ODER? ALTE VETTEL?
Die Rentnerin presst sich die Arme vor die Brust. Tiptop findet es im Aufzug etwas beengt. Er hält die Luft an. Unbezahlbar sieht das aus, wie Simpel dasteht mit seiner Allwetterjacke und der Alten bis ins Erdgeschoss Grobheiten an den Kopf wirft. Als Simpel und Tiptop aussteigen, bleibt sie drinnen stehen.
– Verfluchte alte Fotze, zischt Simpel und grüßt Saddam, der lächelnd aus seinem Hausmeisterbüro guckt, mit zwei Fingern. – So alte Ekel dürfen auf keinen Fall ihren Willen kriegen, Tiptop, die sind alle völlig durchgeknallt.
Simpel und Tiptop treten auf die trostlose Straße vor dem Wohnblock. Auch ohne Uhr sind sie absolut pünktlich und werden Schlag ein Uhr bei PapaHans in der Tür stehen.
FAZIL
Fazil Artana, Börekverkäufer und Inhaber vom Al Mafar’s, lose mit DESIREVOLUTION verbunden, ist ebenfalls zu PapaHans und Sonja unterwegs. Man kann getrost davon ausgehen, dass Fazil auf der Straße niemandem auffällt. Er sieht aus wie der typische untersetzte, dickliche, glatzköpfige Türke mit Bart und Jeanshose unbekannter Marke, die am Hintern so merkwürdig geschnitten ist. Aber er ist relativ glücklich. Eelsi, seine Frau, hat kürzlich einen kleinen Jungen zur Welt gebracht. Freilich können sie nicht wissen, dass das nur ein weiterer zukünftiger-kurzbeiniger-unattraktiver-CrazyReels-spielender-Araber-mit-Bart-und-Mähne wird.
Fazil trottet zum Infomeeting, weil er Eisenmann Komplimente für dessen Tätigkeit als Requisiteur machen will. Fazil ist der Meinung, dass Eisenmann großartige Arbeit leistet. Abgesehen davon sind ihm die Aktivitäten des Konzerns mehr oder weniger gleichgültig. Aber er ist eben ein Araber; ein ausgeprägt sozialer Mensch; er ergreift freudig jede Gelegenheit, laut mit anderen Männern zu reden und zu diskutieren und Hände zu drücken und Gesten zu vollführen, die kein Mensch bei DESIREVOLUTION versteht.
SPEEDO
Gegen alle Wahrscheinlichkeit nähert sich auch Speedo der Sommergate. Er ist derart besoffen, dass ihn unterwegs nicht weniger als drei Familien gefragt haben, ob er Hilfe braucht oder sie einen Krankenwagen rufen sollen, worauf er jedes Mal geantwortet hat, nein, nicht nötig, er sei bei der Arbeit.
DAS INFOMEETING
Der Erste, der bei PapaHans und Sonja eintrifft, ist Lonyl. Zehn Minuten zu früh.
– Ja, hallo?, meldet Sonja sich in der Gegensprechanlage.
– Lonyl.
– Hallooo, Lonyl, komm rein! Bist du allein?
– Ja.
Sonja flucht still. Sie hat keine Lust, den Babysitter zu spielen, auch nicht für zehn Minuten. Zehn Minuten mit dem schrecklichen Lonyl schlauchen genauso wie zehn Stunden mit einem normalen Kind, das weiß sie nur zu gut. Sie drückt lange auf
Weitere Kostenlose Bücher