The Cocka Hola Company: Roman
den Türöffner. Unten auf der Straße steht Lonyl und glotzt die Tür mit ihrem bzzzzz dämlich an.
– Bist du drin, Lonyl?
– Nein.
Bzzzzzzzz. Sieben, acht Sekunden. Lonyl steht da, die Hände in den Hosentaschen. Er grinst blöde. Die Zahnlücke klafft. XTREME ENERGY steht vor ihm auf der Stufe.
– Lonyl?, hört er aus der Gegensprechanlage.
– Ja.
– Weißt du, dass du die Tür aufdrücken musst?
– Ja.
– Dann drück.
– Ja.
– Jetzt mache ich nochmal auf, bist du bereit?
– Ja.
Bzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz. Zwölf, dreizehn Sekunden. Blitzschnell fischt Lonyl seinen Filzer aus der Jackentasche und malt sieben, acht schwarze Kreuze auf die Tür.
– Bist du jetzt drin?
– Nein.
– Hast du’s versucht?
– Nein.
– Willst du reinkommen?
– Nein.
– Dann warte draußen, bis dein Papa kommt.
– Nein.
– Dann musst du an die Tür drücken!
– Ja.
– Das ist das letzte Mal!
– Ja.
Bzzzzzzzzzz. Lonyl drückt nicht an die Tür. Er malt nochmal vier Kreuze mit seinem Filzer.
– Lonyl?
– Ja.
– Bist du jetzt drin?
– Nein.
– Dann bis später. Tschüß.
Sonja legt auf, aber bevor sie »Scheißbengel« gesagt hat, klingelt es wieder.
– Hallo?
– Jetzt drücke ich, sagt Lonyl.
– Dann tu’s! Das ist das allerletzte Mal, ja?
– Ich drücke jetzt.
Bzzzzzzzzzzz. Lonyl drückt und geht ins Treppenhaus. Oben hört Sonja durch die Anlage, wie die Tür hinter ihm zufällt. Lonyl sieht, dass jemand versucht hat, seinen Filzerstrich vom letzten Mal wegzuputzen, immer an der Wand lang bis in den zweiten Stock, aber er zieht einen neuen. Er wird fast genau wie der vorige, bei jeder Stufe ein kleiner Zacken. Lonyl nimmt es genau, er geht in die Türrahmen, über die Tür und in jeder Kurve bis in die Ecke hinein. Er hat beschlossen, dass der Strich nicht unterbrochen werden darf, er will einen durchgehenden Strich ziehen. Auf dem Treppenabsatz unter PapaHans’ und Sonjas Wohnung setzt er den Deckel auf den Filzer und steckt ihn in die Tasche seiner roten Steppjacke. Dann stürzt er den Rest aus der XTREME ENERGY-Flasche runter und lässt sie ins Treppenhaus kullern. Die Flasche ist aus Hartplastik und veranstaltet zwischen den halligen Betonwänden ein Mordsspektakel. Sonja steckt den Kopf aus der Tür, Lonyl grinst zahnlos.
– Was war das, Lonyl?
– …
Sie spart sich die Mühe, nochmal zu fragen, sondern hält dem Problemkind tolerant und entgegenkommend die Tür auf. Lonyl tapst an ihr vorüber, sie sagt »Hallo«.
– Häng deine Sachen hier in den Flur, Lonyl.
Lonyl zerrt sich die Jacke vom Leib und lässt sie hinter sich auf den Boden fallen. Die tolerante Sonja hebt sie auf.
– Die Schuhe auch, Lonyl.
Seine Winterstiefel sitzen ganz schön fest. Er versucht, sie sich von den Füßen zu schleudern, immer schwungvoller. Beim fünften Versucht rutscht der rechte Stiefel endlich ab. Sonja versucht ihn wild grabschend aufzufangen, aber er verfolgt unbekümmert weiter seine ballistische Bahn, berührt fast die Decke und beginnt den Landeanflug Richtung Flügel. Machtlos steht sie da und sieht zu, wie er auf die Tasten knallt, ein KLAAANGGGG in Moll. PapaHans springt von seinem PC auf und schnauzt WASZUMTEUFEL! Er haut wütend auf den Tisch und trifft das Keybord. Jetzt steht »PapaHaU-.ujmih-.« in der High-Score-Rubrik, in der er eben »PapaHans« auf dem ersten Platz eintragen wollte, über »PapaHans« auf dem zweiten, dritten, vierten und fünften Platz. Als er aber Lonyl mit einem Stiefel in der Wohnzimmertür stehen sieht, nickt er nur wiedererkennend. Sonja entfernt den linken Stiefel manuell, PapaHans korrigiert seinen High-Score-Namen. Dann geht er dem Kind entgegen, sagt »Hallöchen, mein Junge!« und hebt ihn hoch – in der Hoffnung, sein Ischias möge bei so einem Fliegengewicht keine Zicken machen; er wirft den kleinen Körper in die Luft, aber es bleibt bei dem einen Versuch: Sein Rückenmark räuspert sich und teilt mit, dass derlei akrobatische Übungen nicht so angesagt sind.
– SooOOH … AAHiii … verdammt! … mein Rücken … sooh, kleiner Lonyl, wie geht’s denn so, kommst du heute wie die Großen zu unserer Besprechung?
– Ja.
– Na, toll! Sonja hat ein bisschen Limo und Carpacciosachen gekauft, sag’s einfach, wenn du Hunger hast.
– Ja.
– Und du? Wie geht’s so in der Schule?
– Schlecht.
– Ach ja? Langweilst du dich?
– Ja.
– Weißt du was, das kann ich gut verstehen, ich habe mich in der
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