The Cocka Hola Company: Roman
Warum hat sie dich ins Lehrerzimmer mitgenommen? Lonyl? Warum?
– Direktor wollte reden …
– Mit …?
– Mir …
– Der Direktor wollte mit dir reden? Braver Junge! Der Direktor wollte mit dir reden … und dann? Was ist dann passiert? War Cathrine Færøy mit in seinem Büro drin? Hä? War sie mit drin?
– Nein …
– Hat sie draußen gewartet? Na?
– Ja … weiß nicht …
– Und dann …? Und dann …? Was war dann, Lonyl?
– Äää … dann bin ich raus gegangen … und dann hab ich den Zettel vom Tisch genommen …
– Hä? Der Zettel hat da gelegen? Auf … auf … auf … dem Lehrertisch, als du rausgekommen bist, und da hast du ihn mitgenommen? War das so? Hä?
– Jaaa …
– Uuund … niemand hat gesehen, dass du den Zettel genommen hast? Hä? Niemand hat das gesehen? Hä?
– Eeehehe … nein.
– Auch nicht der Direktor?
– Nein …
– Ooookaayyy … okay … okay … hast du gehört, Tiptop … keine Sau hat in der Zeitung was von wegen Abschiedsbrief geschrieben … schau mal, was hier steht … ee … hier … »Aber jetzt ist es so weit, dass ich mich selber verurteilen muss …« Hä? Was sagst du dazu, Tiptop? Und die Polizei sucht nach ihr und all so was … die denken, sie ist entführt worden oder so’n Scheiß … Waaahnsinn … und wir sitzen hier mit ihrem Scheißabschiedsbrief! Was sollen wir mit dem machen, Tiptop? Hä? Hörst du mir zu oder was …?
– … Jaaadoch, jaaadoch …, sagt Tiptop, der in den herrlichsten Heroinschlummer ein- und wieder daraus auftaucht. In dem Zustand bekommt man mehr mit, als die meisten Leute glauben. – Ich hör ja zu … ich hööör ja zu …
– Also, was sollen wir machen? Hä? Wenn sie uns mit diesem dämlichen Brief hier ertappen, dann verhören sie uns, bis wir nicht mehr piep sagen können … Was Lonyl erzählt, das glaubt doch kein Mensch. Oder was …?
– Weiß der Teufel … höhöh … ich jedenfalls nicht … hehe …
– Ich auch nicht, verdammt … hehehe.
Simpel liest den Brief noch ein paarmal. Tiptop lässt laaangsam die Lider sinken. Der Kopf sackt ihm auf die Brust. Simpel sitzt da und blickt auf Lonyls Rücken; Lonyl hat sich wieder dem schwarzen Bildschirm zugewandt.
– Da gibt’s nur eins: Schnauze halten!, sagt Simpel. Tiptop macht laaangsam die Augen auf.
– Hä? … ja … ja … Schnauze halten … klar … natürlich … mmm …
SAMSTAG, 12. DEZEMBER, 16.30 H IN DER B-SCHULE
Wegen des Nervenzusammenbruchs der Vertreterin von Cathrine Færøy ist das Kollegium zu einer außerordentlichen Lehrerkonferenz einberufen worden. Geleitet wird sie von Kinderpsychiater Berlitz, der am meisten Zeit mit Lonyl unter vier Augen verbracht hat. Auch hat er eigens einen Bericht über den Jungen vorbereitet. Als externer Fachmann ist Göran Persson geladen, der Waschmittelproduzent, der sich zu den Filzerstrichen äußern soll, die nicht nur sämtliche Flure der Schule verunzieren, sondern auch vier Klassenzimmer und Raum 217 (Berlitz’ Tisch). Trotz etlicher Versuche, die Striche in den Fluren zu übermalen, schlägt die schwarze Farbe immer wieder durch. In seiner langen Tätigkeit innerhalb der Wasch- und Scheuermittelindustrie hat Persson viel Erfahrung gesammelt, auch was Graffiti-Probleme angeht.
Kennen gelernt haben sich Berlitz und Persson vor jener kommunalpolitischen Konferenz, dem ersten Schritt zur Verwirklichung von Berlitz’ wahnsinnsteurer Kampagne ZUM TEUFEL MIT DEM GESCHMIER. Einen oder zwei Monate zuvor hatte Berlitz zufällig einen Zeitungsartikel gelesen, »Budget gekürzt – Graffiti bleiben« , in dem auch Persson zu Wort kam. Sofort war Berlitz klar, dass er einen potentiellen Mitstreiter gefunden hatte. Der Artikel lautete folgendermaßen:
»Budget gekürzt – Graffiti bleiben«
Verkehrsbetriebe stellen Reinigung ein
Immer wieder werden die U-Bahnstationen von Taggern verunstaltet, die mit Vorliebe frisch gereinigten Bahnhöfen zu Leibe rücken. Seit drei Wochen verzichten die städtischen Verkehrsbetriebe auf die Reinigung der meisten Bahnhöfe.
(Bildunterschrift: Vor drei Wochen wurde diese U-Bahn-Station zum letzten Mal gereinigt – so dürfte sie noch länger aussehen)
Seit einer drastischen Kürzung des für die Entfernung von Graffiti vorgesehenen Budgets können die Sprayer in den U-Bahnhöfen ihre »Kunst« ausüben, ohne dass diese wieder entfernt wird. Nur noch die unmittelbar im Zentrum gelegenen Stationen werden gereinigt, die Bahnhöfe in den
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