The Curse - Im Schatten der Schwestern (German Edition)
…“
Damit ich verstand, was er mir sagen wollte, hielt er mich noch einen Moment länger fest. Oh Gott, wie peinlich! Er dachte doch hoffentlich nicht, dass ich ihn hatte anbaggern wollen! Und dabei wünschte ich mir ja wirklich nichts sehnlicher, als dass er seine Arme um mich legte und mich küsste. Er schien von solchen Sehnsüchten verschont, denn er schob mich sanft von sich und deutete vor uns zwischen den Bäumen hindurch auf ein Gewässer.
„Du kannst dich waschen gehen. Ich werde mich auf den Stein setzen und aufpassen.“
Mir bot sich ein wundervoller Anblick. Der See lag spiegelblank in einem Kessel schwarzer Berge. Das Mondlicht zauberte einen silbernen Streifen auf die funkelnde Oberfläche, und es sah aus, als seien sämtliche Sterne vom Himmel gekommen, um ein Bad darin zu nehmen.
Trotzdem sah ich Payton fragend an.
„Waschen? Du hast mich hierher geführt, damit ich mich waschen kann?“
Er lachte ein tiefes und kehliges Lachen, welches mich im Innersten berührte.
„Du stinkst – und wenn ich ehrlich bin, dann stinken wir beide. Aber weil ich dein Schamgefühl nicht verletzen möchte, sehe ich davon ab, mit dir zusammen in den See zu springen, sondern werde hier warten, bis du fertig bist. Ich habe dich hergebracht, weil ich baden wollte, und dachte, dir ginge es genauso.“
Froh über die Schwärze der Nacht, die mein Zittern vor seinen Blicken verbarg, verschränkte ich meine Arme vor der Brust. Mein Geruch war mir total peinlich, und ich wünschte, er wäre Payton nicht aufgefallen. Tatsächlich gab es nichts, was ich lieber tun würde, als dieses furchtbare Kleid auszuziehen und ein schönes, heißes Bad zu nehmen, mir mein Seidenweichshampoo ins Haar zu massieren und danach in meine Jogginghose zu schlüpfen. Aber die Nacht war kalt, das Wasser bestimmt eisig und von Seidenweichshampoo weit und breit nichts zu sehen. Darum zögerte ich.
Mit einem Schulterzucken setzte sich Payton auf den Boden, lehnte sich an den Felsen und zog die Knie an.
„Lass dir ruhig Zeit. Ich habe es nicht eilig, in die Kate zurückzukehren.“
Unschlüssig sah ich auf seine breiten Schultern hinab.
„Warum nicht?“
„Weil ich es nicht ertragen kann, meinen Vater so zu sehen. Er schläft jetzt ruhig … aber ich habe Angst, dass er die Nacht nicht übersteht.“
Er stützte seine Ellbogen auf die Knie und barg den Kopf in seinen Händen.
„Wärst du nicht lieber bei ihm, falls er wirklich …?“ Ich brachte es nicht über mich, den Satz zu vollenden, denn Payton war auch so schon niedergeschlagen genug.
„Nein. Ich habe mich schon den ganzen Tag so hilflos gefühlt. Die Kate ist winzig, und der Platz an Vaters Seite steht meinem Bruder Blair zu. Er ist der Älteste und wird unser neuer Laird werden, sollte es zum Schlimmsten kommen.“
„Ich wünschte, ich könnte dir helfen“, murmelte ich leise.
„Oh, das wirst du. Sobald es hell wird, müssen wir den Pfeil aus seiner Brust entfernen und ihn ordentlich verbinden. Du wirst uns dabei helfen. Ihr Frauen könnt so etwas besser“, stellte er klar und sah mich an. „Aber mir wäre es – natürlich nur um Vaters Willen –, wirklich lieber, wenn du dich zuvor noch waschen würdest.“
Da war es wieder. Zwar erreichte das Lachen seine Augen nicht, aber er zwinkerte mir amüsiert zu. Dabei fand ich nichts Komisches daran, ohne irgendwelche medizinischen Vorkenntnisse jemandem einen Pfeil aus der Brust zu entfernen. Schon gar nicht, wenn ich das tun sollte. Und was, wenn er bei meinem stümperhaften Versuch sterben würde? Würde mich der neue Laird dann nicht sogleich einen Kopf kürzer machen?
„Wie sieht es denn nun aus, Lassie, willst du dich nicht endlich waschen?“, hakte Payton mit beinahe zärtlichem Ton nach.
„Sam ... ich heiße Sam … nicht Lassie.“
Ich schluckte, wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Auge. Ich hätte ihn am liebsten geschüttelt und gerufen: „Erkennst du mich denn nicht, Payton? Erkennt mich dein Herz denn nicht?“
Natürlich tat ich es nicht.
„Ich nannte dich Mädchen , weil ich deinen Namen nicht kannte. Ich bin Payton. Payton McLean. Also, Sam, worauf wartest du? Hast du Angst vor mir? Ich schwöre bei meiner Ehre, ich werde dir nichts tun.“
Ich schüttelte den Kopf. Nein, er würde mir nichts tun, denn, wer auch immer dieser Payton war, ich vertraute ihm.
Darum wandte ich mich ab und ging hinunter zum Ufer. Es waren nur wenige Meter, und ich spürte seinen Blick in meinem Rücken.
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