The Cutting
rausgekriegt?«
»Zuerst nicht besonders viel. Ich bin unsere sämtlichen ungeklärten Vermisstenfälle der letzten drei Jahre durchgegangen.«
»Und da waren keine jungen, blonden Sportlerinnen dabei?«
»Niemand, auf den die Beschreibung auch nur annähernd zutraf. Also habe ich alle anderen Bezirke im Bundesstaat angemailt.«
»Und?«
»Wir haben eine gefunden. Erst vor ein paar Stunden hat die Maine State Police mir die Akte zugeschickt. Eine junge Snowboarderin mit Namen Wendy Branca. Sie ist letztes Jahr im Dezember in Sunday River verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Ich bin bislang noch nicht dazugekommen, die ganze Akte durchzulesen.«
»Blond?«
»Ja. Blond und wunderschön.«
McCabe ließ sich die Akte geben. »Noch jemand?«
»Bisher nicht.«
»Danke, Jack. Gute Arbeit.« Er ging zu seinem eigenen Schreibtisch, klappte den Ordner auf und fing an zu lesen. Wendy Branca war vierundzwanzig Jahre alt und arbeitete in der Vertriebsabteilung von WMND, einem lokalen Country-und-Western-Radiosender. Sie war tatsächlich blond und wunderschön – und sie war Sportlerin. Sie fuhr ebenso hervorragend wie leidenschaftlich Snowboard und hatte nach dem College sogar einige Winter lang in Breckinridge, Colorado, als Snowboardlehrerin gearbeitet.
Letztes Jahr war Wendy kurz vor Weihnachten zusammen mit ein paar Freundinnen übers Wochenende nach Sunday River gefahren, um zu boarden und nach Männern Ausschau zu halten. Am Samstagabend waren sie im »Giggles« gewesen, einer Bar, die sich vor allem bei den Zwanzig- bis Dreißigjährigen ausgesprochener Beliebtheit erfreute. Die drei Frauen begannen den Abend mit ein paar Appletinis. Allein die Vorstellung, etwas zu trinken, das sich Appletini nannte, jagte McCabe einen Schauer über den Rücken. Danach waren sie ausgeschwärmt, hatten mit vielen verschiedenen Typen geredet und getanzt. Irgendwann – niemand konnte genau sagen, wann – war Wendy verschwunden.
Ihre Freundinnen hatten gegenüber den Kriminalbeamten ausgesagt, dass sie sich nichts weiter dabei gedacht hätten. Sie waren einfach davon ausgegangen, dass Wendy jemanden kennengelernt hatte und mit ihm gegangen war. Das sei nicht ungewöhnlich, sagten sie. Wendy zog die Männer an wie die Fliegen, und gegen ein bisschen Spaß hatte sie nichts einzuwenden. Sie waren davon ausgegangen, dass Wendy entweder noch in der Nacht oder aber, falls es klick gemacht hatte, irgendwann am nächsten Morgen wieder auftauchen würde.
Als sie um 10.00 Uhr morgens noch nicht wieder da war, rief eine ihrer Freundinnen sie auf ihrem Handy an. Jedes Mal sprang sofort die Mailbox an. Sie machten sich aber immer noch keine Gedanken. Wahrscheinlich hatte sie das Telefon einfach abgestellt und wollte nicht gestört werden. Sie gaben Wendys Sachen an der Rezeption des Motels ab, bezahlten ihre Rechnung und machten sich auf den Weg zum Berg. Um 17.00 Uhr schauten sie noch einmal im Motel vorbei und stellten fest, dass ihre Sachen immer noch da waren. Dann erst hatten sie die Polizei in Bethel verständigt.
Die Polizisten unterhielten sich mit dem Geschäftsführer des Motels und mit allen Angestellten des Giggles. Dort konnte sich niemand an Wendy erinnern, mit Ausnahme des Barkeepers und des Gitarristen der Live-Band. Letzterer konnte sich deshalb an sie erinnern, weil sie a) ein »scharfes Gerät« war und sich b) ständig Songs von den Dixie Chicks gewünscht hatte. Anscheinend hasste er die Dixie Chicks. Weder der Gitarrist noch der Barkeeper hatten gesehen, mit wem sie gegangen war.
Vierundzwanzig Stunden später war Wendy immer noch nicht wieder aufgetaucht. Die Ortspolizei in Bethel war ratlos und verständigte die State Police. Die Beamten der MSP verhörten jeden Mann, der an jenem Abend seine Rechnung im Giggles mit Kreditkarte bezahlt hatte. Außerdem zeigten sie Wendys Bild in jeder anderen Kneipe und in jedem Motel in der Gegend herum, um herauszufinden, ob sie vielleicht irgendwo anders gesehen worden war. Ohne Erfolg. Sie dehnten die Suche aus und fahndeten in einem Umkreis von dreißig Kilometern nach männlichen Kreditkartenbesitzern, die einen Skipass, eine Ferienwohnung oder ein Motelzimmer bezahlt hatten. Immer noch keine Spur. Sie hatten bei ihrem Handy-Provider nachgefragt und die Auskunft erhalten, dass Wendys Telefon seit Samstagfrüh ausgeschaltet und nicht mehr benutzt worden war. Die Beamten hatten jedes Familienmitglied, jede Freundin, jeden Bekannten und dazu sämtliche ehemaligen Freunde
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