The Cutting
Flüstern und drehte seinen Stuhl so, dass der Mann seine Mundbewegungen nicht sehen konnte. Tasco und Fraser taten es ihm nach. Der Grat zwischen Vorsicht und Verfolgungswahn erschien, wie immer, sehr schmal.
»Vielleicht trifft Spencer bei Kanes Beerdigung auf Pollock und bittet ihn, nach Maine zu kommen, um irgendwelche Leute aus dem Weg zu räumen, die ihm bei seiner Herztransplantations-Verschwörung in die Quere kommen könnten«, sagte Fraser. »Kane braucht ihn ja jetzt nicht mehr, da er tot ist.«
»Schon möglich«, sagte McCabe nachdenklich. »Ungefähr zu der Zeit, als Pollock/Pollard seinen Brötchengeber in Florida verliert, startet Spencer sein Organverpflanzungs-Unternehmen in Maine. Ich meine, warum sollte ein Schläger wie der sonst nach Portland kommen? Hast du rausgekriegt, ob Spencer irgendwann einmal in Frankreich gewesen ist?«
»Nein, obwohl die französische Gendarmerie sehr hilfsbereit war«, erwiderte Tasco. »In den Büchern des Hôtel du Midi in Montpellier ist im November letzten Jahres jedenfalls kein Philip Spencer verzeichnet.«
»Sonst noch was?«
»Ja. Ich habe mich mit der Klinik in Verbindung gesetzt. Nach deren Angaben hat Dr. Spencer in der fraglichen Zeit hier in Maine drei Herztransplantationen vorgenommen.«
»Dann kann er also gar nicht in Frankreich gewesen sein?«
»Theoretisch schon, aber er hätte einen wahnsinnig engen Zeitplan gehabt.«
»Tu mir noch einen Gefallen, Tom. Frag nochmal in Frankreich nach, ob vielleicht ein gewisser Harry Lime im Hotel abgestiegen ist.«
»Okay, und was, wenn ja?«
»Dann lass dir die Nummer des Reisepasses geben, und stell fest, wann und wo er ausgestellt wurde. Falls er per Post ans Hotel geschickt wurde, dann finde heraus, von wo.«
»Der Typ in Frankreich war also nicht Philip Spencer?«
»Zumindest nicht unser Philip Spencer. Sophie Gauthier hat sich gerade das Foto angeschaut. Sie ist sich sicher, dass sie nicht von Spencer angeworben wurde.«
»Dann stehen wir also praktisch mit leeren Händen da?«, meinte Tasco.
»So könnte man es wohl ausdrücken.«
»Also eins kann ich dir sagen, Mike: Es wird so langsam ziemlich frustrierend, ständig in irgendwelchen Sackgassen zu landen.«
»Nicht lockerlassen, Tom. Irgendwann zahlt es sich garantiert aus«, erwiderte McCabe.
»Das hoffe ich. Was steht als Nächstes an?«
»Als Nächstes? Als Nächstes werfen wir mal einen Blick in den schmucken grünen Lexus von Mrs. Spencer.«
39
Mittwoch, 16.00 Uhr
McCabe verabscheute Beschattungen, ganz besonders, wenn er dazu auf dem Fahrersitz eines Mietwagens sitzen musste. Dieser hier war ein Dodge Stratus. Im Großen und Ganzen ungefähr so unpersönlich und unbequem, wie ein Auto nur sein konnte. Und dabei noch nicht einmal unauffällig. In Gegenden wie dieser hier tauchten nur Polizisten oder die Zeugen Jehovas in ähnlich langweiligen Fahrzeugen auf – aber für etwas anderes hatte Fortier kein Geld herausgerückt. Er wusste nicht, wie lange der T-Bird noch beschlagnahmt bleiben würde, aber das konnte noch eine ganze Weile dauern. Und dann musste er erst einmal die Windschutzscheibe erneuern und vielleicht noch ein paar andere Sachen reparieren lassen. Das würde also auch noch einmal Zeit kosten. Zumindest besaß der Stratus einen CD-Spieler und ein Paar passable Boxen.
McCabe stand in der Trinity Street vor dem Haus mit der Nummer 24. Jetzt wartete er schon seit zwei Stunden auf die Ankunft des grünen Lexus. Er hatte Burt Lund mit im Wagen, und der wurde auch langsam unruhig. Tasco und Fraser saßen in einem Crown Vic des Portland Police Department auf der gegenüberliegenden Straßenseite. McCabe verbrachte die Wartezeit hauptsächlich damit, sich zurückzulehnen und einer CD zu lauschen, auf der der Jazz-Pianist Marcus Roberts bekannte Gershwin-Melodien interpretierte. Zur Abwechslung hatte er noch Oscar Peterson dabei, der mit Stücken von Cole Porter einen ähnlichen Zauber hervorrief.
»Weiß man schon, was für Kevin Comiskys Beisetzung geplant ist?«, wollte Lund wissen.
»Ja. Heute Nachmittag hat Shockley eine Hausmitteilung rausgeschickt. Der Gottesdienst findet am Montag in der Kathedrale statt. Fahnenschwenker. Dudelsäcke. Einundzwanzig Salutschüsse am Grab. Das volle Programm. Polizeibeamte aus ganz Neuengland werden zur Beerdigung erwartet. Shockley will einen Nachruf halten.«
»Das tut der Witwe sicher gut.«
McCabe warf Lund einen Blick zu. »Aber ihren Mann bekommt sie dadurch auch nicht
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