The Cutting
Nebenwirkungen sind nicht lebensbedrohlich. Die Krankenschwester weiß, was zu tun ist. Falls es irgendwelche Anzeichen für eine Organabstoßung gibt, dann verständigt sie uns, und wir sorgen dafür, dass ein Transplantationskardiologe eine Gewebeprobe entnimmt. Falls Ihr Vater eine weiterführende Behandlung benötigt, wird man Kontakt mit Ihnen aufnehmen und die verschiedenen Möglichkeiten mit Ihnen besprechen.
Ich kann gar nicht deutlich genug betonen, dass Sie mit niemandem über diese Vereinbarung sprechen dürfen. Nicht mit Ihrem Arzt, nicht mit Ihrem Liebhaber und auch nicht mit Ihrer Tante Ethel. Falls Sie im Schlaf reden, dann schlafen Sie alleine. Falls sich jemand erkundigt, warum es ihm gesundheitlich wieder besser geht – vorausgesetzt, die Operation verläuft erfolgreich –, dann sagen Sie nur, dass er einen Bypass bekommen hat. Die Narben sehen ziemlich ähnlich aus. Falls er stirbt, dann rufen Sie uns unter der Nummer, die Sie erhalten haben, an. Wir sorgen dafür, dass ein Arzt den Totenschein unterzeichnet und dass die Leiche eingeäschert wird.«
»Ist das alles?«, erkundigte sie sich.
»Noch ein letzter Punkt. Indem Sie diese Vereinbarung akzeptieren, machen Sie und Ihr Vater sich strafbar. Sollten wir feststellen, dass Sie noch vor der Operation mit irgendjemandem darüber geredet haben – und wir sehen und hören alles –, dann ist unsere Vereinbarung nichtig. Wir behalten das Geld, aber eine Operation wird nicht stattfinden. Sollten wir feststellen, dass Sie nach der Operation mit einem Arzt, einem Krankenhaus, der Polizei oder sonst jemandem darüber gesprochen haben, dann endet unser Vertrag, und Sie und Ihr Vater werden eliminiert.«
Harry Lime sprach diese Worte völlig sachlich aus, in geschäftsmäßigem Ton, ohne Drohung, ohne jeden Hauch einer Gefühlsregung. Trotz der Hitze Floridas fing Vanessa Redmond plötzlich an zu zittern. Sie wusste nicht das Geringste über diesen Mann oder die Leute, mit denen er zusammenarbeitete. Ihr blieb nichts anderes übrig, als seinen Worten und Versprechungen zu glauben. Und weil sie wollte, dass ihr Vater weiterlebte, sei es auch nur für eine kurze Zeit, sagte sie einfach nur: »Ich habe verstanden.«
27
Dienstag, 17.00 Uhr
Es war später Dienstagnachmittag. Vier Tage waren vergangen, seit Katie Dubois’ Leiche auf der wilden Müllhalde entdeckt worden und Lucinda Cassidy auf der Western Prom verschwunden war. Tom Shockley wurde langsam zickig angesichts der ausbleibenden Ermittlungsergebnisse. Bill Fortier wurde langsam unruhig wegen der Überstunden und der damit verbundenen Kosten. McCabe wurde immer nervöser angesichts der unablässig verrinnenden Zeit, die Lucinda Cassidy noch zum Leben blieb.
Er verbrachte den größten Teil des Tages im Kreis seiner Mitarbeiter, las sich die Protokolle endlos langer Befragungen durch, die praktisch alle nicht das geringste Ergebnis gebracht hatten. Tasco und Fraser sowie vier weitere Zweierteams hatten die sogenannte Lexus-Liste von annähernd fünfhundert auf weniger als ein Dutzend Kandidaten geschrumpft. Jeder dieser sogenannten Potenziellen – drei Chirurgen, vier weitere promovierte Ärzte, ein hoch qualifizierter Krankenpfleger und ein Biologie-Professor an einem kleinen College in New Hampshire – war von seiner Ausbildung her grundsätzlich in der Lage, ein menschliches Herz zu entfernen. Keiner besaß ein Alibi, das von einem Dritten bestätigt werden konnte. Jeder wurde in die Middle Street 109 gebracht und in ein mit Mikrofonen und versteckten Kameras ausgestattetes Verhörzimmer gesetzt. Jeder wurde von Spezialisten der Kriminalpolizei, die in der Lage waren, selbst winzigste Unstimmigkeiten in den Aussagen aufzuspüren, eingehend befragt, manchmal stundenlang. Der vielversprechendste »Verdächtige« war nach Tom Tascos Ansicht ein fünfundfünfzig Jahre alter Gynäkologe im Ruhestand aus North Berwick. Er war nur deshalb vielversprechend, weil er 2002 seine Zulassung verloren hatte. Angeblich sollte er ein halbes Dutzend Patientinnen, während sie auf dem Untersuchungsstuhl gelegen hatten, unsittlich berührt haben, darunter auch ein vierzehnjähriges Mädchen.
Doch leider war der Mann nur einen Meter achtundsiebzig groß und keineswegs über eins fünfundachtzig, wie der Mann auf dem Überwachungsvideo und der, den Tobin Kenney beschrieben hatte. McCabe sah sich das Video von der Befragung noch einmal an, und ihm war klar, dass dieser Mann niemals stark genug gewesen
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