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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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Gaia suchte nach einem Lebenszeichen in ihrem Gesicht, wünschte mit ganzer Kraft, sie würde atmen, aber ihr Blick war auf das Fenster über ihr gerichtet, ohne es zu sehen, und als das Baby eine winzige Hand nach ihrer Wange ausstreckte, reagierte sie nicht darauf.
    »Nein«, flüsterte Gaia und schloss abermals ihre Augen. »Ich brauche dich, Mom«, krächzte sie und strich ihr über ihr Gesicht und Haar. »Bitte …« Ihre Finger zitterten, und ihr Herz quoll über vor Trauer. Sie lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme fest vor der Brust, während der leblose Körper ihrer Mutter allmählich seine Wärme zu verlieren begann.

24
    Ein vollkommen kreisrunder Teich
    Mehr als alles andere wünschte sich Gaia, den Kopf neben dem ihrer Mutter niederzulegen und den Kampf einfach aufzugeben. Doch als ihr trüber Blick auf ihre neugeborene Schwester fiel, wusste sie, dass die Dunkelheit würde warten müssen. Sie konnte ihrer Mutter nicht ins Gesicht sehen; auch den Anblick der dünnen, wunden Haut an ihren Knöcheln konnte sie nicht ertragen. Sie konnte nicht mehr lange hier neben dem Leichnam bleiben. Die Wachen würden zurückkommen, oder die Leute, die sich um die Wäsche kümmerten. Vor allem aber würde das Baby bald Nahrung brauchen, oder es würde auch sterben.
    Gaia rückte vorsichtig beiseite. Dann beugte sie sich zu ihrer Mutter hinab und nahm das Baby sanft aus ihren leblosen Armen.
    »Hallo, kleine Schwester«, flüsterte sie. Ihre Mutter hatte sie gebeten, sich um sie zu kümmern, und das würde sie auch tun. Koste es, was es wolle.
    Maya war winzig in ihren Händen. Gaia wischte sie notdürftig sauber und wickelte sie sicher in ein frisches weißes Handtuch. Dann legte sie das Baby auf einen Stapel Bettwäsche, sah an sich hinunter und betrachtete ihre Jacke und die Hose – beides blutverschmiert. Niemand würde sie jetzt noch für einen Bäckerlehrling halten; aber sie hatte ja Pearls Umhang. Sie warf ihre Jacke in einen der Wäschecontainer, gefolgt von den letzten Resten der Maske und dem Seil, für das sie nie Verwendung gefunden hatte. Das blaue Hemd behielt sie an, krempelte nur die Ärmel hoch, um ein paar Blutspritzer zu verbergen.
    Rasch rollte sie sich ihre Hosenbeine bis zu den Knien hoch, dann nahm sie sich einen der sauberen Bettbezüge und faltete ihn. Sie riss ein Stück von der Naht als Band ab, wickelte den Stoff als Rock um ihre Hüfte und band ihn fest. Es sah furchtbar aus, aber wenigstens machte es den Anschein, als trüge sie einen Rock unter Pearls tiefblauem Umhang. Sie nahm ihre Schwester an sich und barg sie in den Armen.
    Sie trat ans Fenster, starrte durch die geisterhaften Umrisse ihres Spiegelbilds und versuchte sich zu orientieren. Wolken hatten sich zusammengezogen und verdunkelten die Nachtmittagssonne. Sie sah auf die Solarpaneele der Dächer hinab und erkannte an den nach Süden ausgerichteten Schrägen, dass sie sich auf der Westseite der Bastion befinden musste, weit vom südöstlichen Turm und von der Schule entfernt. Sie hatte keine Ahnung, wie sie entkommen sollte, doch mit einer Art tauber Dringlichkeit wusste sie, dass sie es versuchen musste.
    Gaia war sich des Körpers ihrer Mutter, der reglos in einem Wäschehaufen in der Ecke der Kammer lag, nur allzu bewusst. Als sie bereit war – das Baby auf ihren Armen -, sah sie ein letztes Mal zu ihr hin. Sie bückte sich und bedeckte ihr Gesicht mit einem sauberen Tuch. Sie konnte nicht Lebwohl sagen; die Worte blieben ihr im Hals stecken, und doch wusste sie, dass dies das letzte Mal war, dass sie je mit ihrer Mutter zusammen sein würde.
    Ich werde versuchen, tapfer zu sein. Sie drückte ihre Schwester eng an sich und holte tief und schaudernd Atem. Dann wandte sie sich ab und ging an den Wäschecontainern vorbei zur Tür. Sie blinzelte angestrengt und versuchte, sich zu konzentrieren und auf Geräusche zu lauschen. Als sie keine hörte, öffnete sie die Tür ein paar Zentimeter und sah den Flur hinab. Wie kann ich das schaffen? , fragte sie sich verzweifelt. Du musst einfach , gab sie sich selbst die Antwort. Sie schlich auf Zehenspitzen zum Ende des Flurs und fürchtete, dass jeden Moment eine Gruppe Wachen um die Ecke kommen würde. Da erkannte sie, dass sie einen Fehler beging: sich zu ducken war das Letzte, was sie jetzt tun sollte, wenn sie nicht entdeckt werden wollte. Sie musste sich wie Schwester Khol aufführen, entschlossen und mit unerschütterlicher Autorität.
    Gaia holte tief Atem, zog die

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