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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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Menschen Wäsche zwischen den Gebäuden auf, und als sie ihren Blick senkte, bemerkte sie erstaunt, dass alle um sie herum Schuhe trugen, selbst die Kinder. Ob alt, ob jung, jeder sah gesund und wohlgenährt aus.
    Außerhalb der Mauer kam es vor, dass man jemanden mit einer Narbe oder einer verkrüppelten Hand oder auf Krücken sah. Hier in der Enklave aber würde jeder, der ihre Narbe sah, wissen, dass sie von draußen kam, und sie war in ständiger Furcht, jemand könnte einen genaueren Blick unter ihre Kapuze werfen. Einmal zog ein kleiner Junge, während er Gaia unverwandt anstarrte, an der Hand der Frau neben sich. »Schau nur«, rief er und zeigte auf sie, aber bis sich seine Mutter umgedreht hatte, hatte Gaia ihre Narbe schon wieder verdeckt.
    Bis zum späten Morgen hatte Gaia weite Teile der Gegend um den zentralen Platz durchwandert. Sie war durstig, müde, und sie hatte Angst. Wie es aussah, hatte sie drei Möglichkeiten: Sie konnte entweder Dereks Freund Mace um Hilfe bitten, vorausgesetzt, sie fand den Bäcker mit dem schwarzen Ofen; sie konnte im Säuglingsheim nach Schwester Khol suchen, in der Hoffnung, dass sie ihr helfen würde, so wie sie ihr schon einmal geholfen hatte, indem sie die Nachricht ihrer Mutter übermittelt hatte; oder sie konnte sich bis zum Einbruch der Nacht versteckt halten, bis sie wieder durch Dereks Loch in der Mauer würde verschwinden können. Vergeblich suchte sie nach der Bäckerei und dem Säuglingsheim. Dafür kam sie an einem Friedhof, einem Fahrradladen, mehreren Warenlagern und Cafés und an der Mycoproteinfabrik vorbei. Schließlich näherte sie sich wieder dem zentralen Platz.
    Kurz vor Mittag begann der Platz sich zu füllen. In ihrer Verzweiflung ließ Gaia ihren Blick über die Gesichter unter den Hüten und Schleiern gleiten. Sie hielt Ausschau nach Schwester Khol oder aber einem jungen Mann, der einer ihrer Brüder sein könnte, doch als es erst Dutzende, dann Hunderte Menschen wurden, gab sie die Hoffnung auf, ein vertrautes Gesicht in der Menge zu entdecken. Dafür fiel ihr allmählich ein Muster in der farbenfrohen Kleidung der Menschen auf. Die Wachen trugen Schwarz. Häufig sah man rot gekleidete weibliche Bedienstete, viele mit Körben über dem Arm oder kleinen Kindern an der Hand. Kräftige Männer und Frauen verschiedenen Alters trugen Blau und Grau und Brauntöne, und Gaia nahm an, dass diese zu einer Art Mittelschicht gehörten, denn sie wirkten gut aufgelegt, und die Männer schlugen einander zur Begrüßung kameradschaftlich auf den Rücken. Kinder mit breitkrempigen Hüten flitzten in Gelb und Rot und Grün vorüber. Einige Männer und Frauen trugen ausschließlich weiße Kleider, die im Sonnenschein gleißten. Sie verweilten entspannt in losen Gruppen vor der Bastion, im Schatten einiger Pekannussbäume. Sie lachten und plauderten, und gelegentlich gaben sie ihren Kindern eine Münze, damit sie sich eine Kleinigkeit bei einem der Händler kaufen konnten.
    Gaia ging zurück zur Ecke der Arkade und stellte sich so, dass eine Säule ihre linke Seite verdeckte. Vor ihr sammelten sich andere junge Frauen in Rot und tuschelten leise, und als mehrere Wachen durch den hohen, geziegelten Torbogen des Gefängnisses traten, hörte sie das größte der Mädchen sagen: »Nein, das glaube ich nicht. Er würde es nicht wagen, nicht zu erscheinen.«
    »Ach du meine Güte, ich hab ihn gesehen. Er ist vor der Bastion! Bei der Familie des Protektors!«, sagte ein anderes Mädchen.
    Gaia sah zu dem herrschaftlichen Gebäude hinüber. Die große Flügeltür wurde aufgestoßen, und ein Mann und eine Frau, beide in Weiß, traten heraus. Goldfäden schimmerten in ihrer Kleidung, und die Frau trug einen großen Hut mit atemberaubenden weißen Federn. Hinter ihnen kam ein weiteres Paar, das noch überwältigender aussah als das erste, bis sich mehr als zwanzig Leute über die Terrasse verteilt hatten. Ein zwangloser Strom die Stufen hinab und hinauf setzte ein, und man vermischte sich mit den anderen Weißgekleideten. Die Familie des Protektors und seine Freunde trugen eine natürliche Anmut zur Schau, die noch viel beeindruckender wirkte als im Tvaltar.
    »Rita hat wirklich mit ihm getanzt?«, kicherte eines der Mädchen.
    Das großgewachsene Mädchen fuhr herum, um etwas zu erwidern, ihre Züge versprühten eine fesselnde, dunkeläugige Vitalität, die sich auf das Angenehmste mit ihrem satten honigfarbenen Haar verband, das aus den Winkeln ihrer roten Kapuze quoll.

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