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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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dass sie noch einmal die Gelegenheit haben würde, mit Leon spazieren zu gehen. Gaia zog sich das Kleid über den Kopf.
    »Kann ich dich etwas fragen?«, fragte Gaia mit leiser Stimme, während sie die Knöpfe schloss. »Kennst du Myrna schon lange?«
    Cotty lachte auf und stach ihre Nadel in eine Rolle mit grauem Faden. »Du willst wissen, warum sie so gemein ist, oder?«
    Gaia hätte es nicht so direkt ausgedrückt, aber sie nickte.
    »Ich weiß, dass sie ein Herz hat«, sagte Cotty. »Aber ich glaube, sie stößt Menschen von sich, ehe sie sie enttäuschen können. Ich habe gehört, dass sie kurz verheiratet war, vor langer Zeit, und es ging schlecht aus. Und ich weiß, dass man ihre Pläne für ein Krankenhaus durchkreuzt hat. Sie argumentierte, dass wir eine Blutbank für die Bluter bräuchten und eine Lehrklinik für Ärzte, aber der Protektor weigerte sich einfach.«
    »Warum?«, fragte Gaia.
    Cotty schüttelte den Kopf und verstaute Fadenrollen und Schere in einer kleinen Schachtel. »Eines der Prinzipien der Gründer: keine Krankenhäuser, keine fortschrittliche Medizin. Nur Antibiotika und Morphin. Sie glaubten, alles andere spiele nur den Schwachen zu. Es war der Entscheid über eine Ressourcenfrage – brutal, aber notwendig.«
    Gaia sah zu den drei Fenstern hoch und dachte über Myrna nach. »Sie ist eine gute Ärztin. Wenn sie das Sagen hätte, würden viele Menschen länger leben.«
    »Da stimme ich dir zu. Der Protektor hat aber auch nicht ganz unrecht. Zu sterben ist keine Schande. Sein Augenmerk liegt auf der ganzen Bevölkerung, darauf, was das Beste für alle ist, nicht nur für Einzelne. Er und Myrna haben einfach eine verschiedene Sicht auf die Dinge.«
    »Und er ist der Chef«, meinte Gaia trocken.
    Cotty gackerte leise. Gaia sah auf und begegnete ihrem warmen, lausbübischen Lächeln. »Mach dir wegen Myrna keine Sorgen«, beruhigte Cotty sie. »Sie ist gemein, aber sie ist auch schlau. Und sie ist nicht wie Sephie.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Gaia verwirrt.
    Cotty sah sie entschuldigend von der Seite an. »Ich rede nicht gerne schlecht über Leute. Lass es mich einfach so ausdrücken: Es fällt leicht, Sephie zu mögen, weil sie so freundlich ist. Aber wenn es darauf ankommt, wird sie immer den Weg des geringsten Widerstands wählen. Auf Myrna dagegen kannst du dich verlassen.« Sie massierte sich nachdenklich den Nasenrücken. »Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie hier ist.«
    Als in dieser Nacht alle schliefen, holte Gaia ihren kleinen Spiegel hervor und versuchte, in der Dunkelheit ihr Gesicht zu betrachten. Natürlich vergebens. Das kleine Oval verspottete sie und reflektierte lediglich das fast undurchdringliche Schwarz der nächtlichen Schatten – als ob Gaia unsichtbar wäre. Langsam fuhr sie mit dem Daumen über die glatte Oberfläche des Glases und verstaute den Spiegel dann in ihrer geheimen Tasche. Nachts, wenn sie keine Ablenkung mehr hatte, drang die Einsamkeit wie ein kalter, stiller Nebel in ihr Herz. Myrna, Leon und selbst Cotty – diese neuen Menschen in ihrem Leben wussten nicht, wer sie wirklich war, kannten nicht die verschlungenen Wege ihres Herzens. Da war niemand mehr, der sie wirklich liebte.
    Niemand außer ihrer Mutter, wo immer sie auch war. Eine Erinnerung durchzuckte sie: ihre Mutter, am Rand der Veranda, das Gesicht in die Sonne gehoben. Sie blinzelte erst, dann lächelte sie und versuchte, die Fäden des Windspiels zu entwirren.
    Du solltest dir wirklich das Haar nach hinten kämmen, Gaia. Lass es mich dir zusammenbinden.
    Ungefragt drängten Tränen gegen ihre Lider. Ihr Haar war nun kurz. Ihre Mutter war fort. Gaia bettete den Kopf auf die flache Matratze, wobei sie die verletzliche Haut ihrer Narbe automatisch nach oben wandte, und sagte sich, dass sie nicht weinen würde.

15
    Das gelbe Nadelkissen
    Es war kaum Tag, als die Wachen kamen.
    »Gaia Stone!«, ertönte die Stimme eines Mannes.
    Sie setzte sich auf. Ihre bloßen Füße trafen den kalten Boden.
    Myrna kam zu ihr her, nahm sie bei den Schultern und schloss sie plötzlich und heftig in ihre Arme. »Sie kommen dich holen«, flüsterte sie knapp. »Bleib stark. Denk dran, was immer du tust, was immer du sagst, deine wichtigste Aufgabe ist es, zu überleben.«
    Angsterfüllt lehnte Gaia sich an sie, doch da stürmten die Wachen schon in den Schlafraum und rissen sie mit sich.
    »Schuhe!«, rief der Wachmann. »Wo sind deine Schuhe?«
    Gaia sah auf den Boden, wo ihre Schuhe lagen, und Myrna

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